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Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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ordentlichen Kaffee leisten könne, fürchtete ich schon, sie wolle mich begleiten. Aber vielleicht las sie von meiner Miene ab, was ich dachte. Gleich anschließend erklärte sie nämlich, sie müsse mit ihrem Vermögen sparsam umgehen, man wisse ja nicht, was bei einem Europatrip so alles an Ausgaben auf einen zukäme. Sie habe auch keine Lust, ihr Gepäck durch den ganzen Zug zu schleppen, unbeaufsichtigt im Abteil zurücklassen könne man es schließlich nicht. Dann machte sie sich an ihrem Rucksack zu schaffen, kramte einen Apfel und eine Dose Cola hervor, nickte mir kameradschaftlich zu und wünschte mir guten Appetit. Meine Reisetasche nahm ich mit, wegen der beiden Pistolen und der Schachtel Munition. Meine Tasche war nicht abzuschließen. Nicht dass ich befürchtet hätte, Candy würde in meinem Gepäck stöbern. Es war Gewohnheit. Sorgsamer Umgang mit Schusswaffen! Hamacher war zwar in diesem Punkt nicht gar so pingelig wie die Polizei. In der Agentur musste man nicht Rechenschaft über jede Patrone geben. Aber trotzdem, ich hatte das vor Jahren einmal gelernt und hielt mich daran. Direkt hungrig war ich nicht. Hartmut Bender und ich hatten mit unserem Schützling in München noch üppig zu Mittag gegessen. Ich gönnte mir eine Tasse Kaffee, eine scharf gewürzte Suppe und zwei Aspirin, um den Kopf wieder einigermaßen einsatzfähig zu machen. Während meiner Mahlzeit träumte ich davon, neben einem Chemiker, der meine Anwesenheit als aufdringlich empfand und mich deshalb mit Missachtung strafte, im Flugzeug zu sitzen. Aber da hatte Hartmut Bender gesessen, inzwischen waren sie wohl schon gelandet. Nach einer Stunde ging ich zurück. Und um ehrlich zu sein, ich wollte nicht wieder in dieses Abteil. Nur war der Zug inzwischen ziemlich voll. Im Großraumwagen war gar nichts frei. In zwei Abteilen sah ich leere Plätze, aber die waren nicht ganz nach meinem Geschmack. In einem Abteil paffte ein älterer Herr eine dicke Zigarre und nebelte drei Mitreisende ein. Im anderen versuchte eine junge Mutter, ihren Säugling zu stillen und gleichzeitig einen greinenden Zweijährigen davon abzuhalten, das Sitzpolster mit Schokolade zu beschmieren. Da erschien mir Candy als das kleinere Übel. Trotzdem näherte ich mich meinem ursprünglichen Platz mit einem flauen Gefühl im Magen und der Gewissheit, dass Candy bestimmt noch etliche Geschichten für mich bereithielt. Doch als ich eintrat, war sie anders. Ganz still und klein saß sie am Fenster, das Gesicht der Landschaft zugedreht. Sie wirkte so zerbrechlich, irgendwie rührend und schutzbedürftig. Ich setzte mich ihr wieder gegenüber. Sie schaute weiter zum Fenster hinaus, noch mindestens zehn Minuten lang. Dann sagte sie unvermittelt:
    «Jetzt sind wir bald da.» Was hätte ich darauf antworten sollen? Ich nickte nur, sie sprach mit verhangener Stimme weiter:
    «Kennen Sie das? Zuerst ist man ganz wild auf eine bestimmte Sache und kann gar nicht erwarten, dass es endlich losgeht. Und dann bekommt man plötzlich so ein komisches Gefühl, fast so etwas wie Angst. Vielleicht liegt es daran, dass die Städte auf Landkarten nur rote Punkte sind. Alles sieht so überschaubar aus. Aber wenn man am Bahnhof steht, weiß man gar nicht, wo man anfangen soll.» Ihre Hand auf der Ablage unter dem Fenster spielte mit der Coladose. Sie drehte mir das Gesicht zu, ihre Augen wanderten zu meiner Tasche, die ich neben mich auf den Sitz gestellt hatte. Mit verblüffender Hellsichtigkeit stellte sie plötzlich fest:
    «Ich bin Ihnen die ganze Zeit mächtig auf die Nerven gegangen, oder? Tut mir Leid. Ich weiß, dass ich zu viel rede. Mami sagt oft, wenn ich mal sterbe, muss man mir den Mund wahrscheinlich zunähen, sonst schlage ich da unten alle Würmer in die Flucht.» Der Wahrheit zuliebe hätte ich in dem Moment noch einmal nicken müssen. Doch das wäre nicht diplomatisch gewesen. Und Diplomatie hatte ich, speziell im Umgang mit der holden Weiblichkeit, in den letzten Jahren gelernt. Man sagte einer Frau, die meinte, ihr Busen sei zu klein und die Hüften zu speckig, keinesfalls, dass sie ihr Äußeres richtig beurteilte. Da durfte man auch nicht sagen:
    «Ach, für eine Nacht stört mich das nicht.» Nicht einmal:
    «Mir gefällst du so.» Man sagte:
    «Das bildest du dir ein.» Ich versicherte Candy, sie sei mir nicht auf die Nerven gegangen. So ganz glaubte sie mir das offenbar nicht. Selbst nach meiner Erklärung schwieg sie noch sekundenlang, seufzte vernehmlich und

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