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Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Cranachwäldchen am Niehler Hafen in den Wagen steigen. Da, wo später die Nutten liefen oder standen. gab es dort noch keinen Straßenstrich, keine Bedarfscontainer oder wie immer sie das nannten, als sie sich in der Presse darüber aufregten. Damals war das ein romantisches Fleckchen bei dem Stein, der den Stromkilometer markierte. Dass an dieser Stelle einmal ein Mordopfer gefunden worden war, sah man nicht. Die Bäume standen luftig, dazwischen war viel Platz für den Blick auf den Rhein und die gemächlich dahinziehenden Schleppkähne oder Ausflugsschiffe. Spätabends sah man die Lichter rundum – nicht nahe genug, um in einer sternenklaren Nacht dem Himmel etwas von seinem Flair zu nehmen. Wie geschaffen für Liebe, sagte Candy einmal. Candy, es klingt nach Zucker. Das war sie auch. Ein Löffel Honig in der Milch meines bis dahin zwar aufregenden und abwechslungsreichen, aber trotzdem eintönigen Lebens. Ich wollte sie nicht wieder hergeben. Lieben wollte ich sie – bis ans Ende unserer Tage, wie man so sagt. Nie wieder loslassen wollte ich sie. So ist das, wenn man meint, etwas Einmaliges gefunden zu haben. Eine Frau, wie es eine zweite gar nicht geben kann. Die ganz große Liebe, von der es heißt, dass sie einem Menschen nur einmal im Leben begegnet. Ich hatte davor nichts Vergleichbares erlebt. Und Candy wollte weg von mir, stieg in dieses verfluchte Auto. Ein er BMW, so hieß das zu der Zeit, da gab es noch keine er, er und er. Der er war eine schwere Kiste. Sie wirkte so klein darin, so verloren, verschwand fast hinter dem Lenkrad, das sehe ich noch vor mir, auch wenn ich nicht davon träume. Und wie sie eine Hand hob. Aber es reichte nicht ganz zu einem letzten Winken.
    «Hau ab, Mike!», rief sie, als ich näher kam.
    «Hau endlich ab und lass mich in Ruhe!» Mike, sie war die Einzige, die mich je so genannt hat. Alle anderen sagten Michael oder Herr Schröder. Und wie sie das aussprach, Mike – mit diesem weichen ai. Das passte zu ihr – und zu mir, jedenfalls in den wenigen Wochen, die ich mit ihr hatte. Achtundzwanzig war ich in dem Sommer. Und jeder, der glaubte, mich gut zu kennen, meinte, ich sei ein Kopfmensch, rational, vernünftig, vorsichtig, sorgfältig abwägend, im Privatleben vielleicht zu bequem oder phlegmatisch. Ein Mann, der nach dem Motto lebte, dass man in einer Beziehung nur Probleme löste, die man allein gar nicht hätte. Ein Einzelgänger eben. Im Prinzip war ich das auch – schon als Kind gewesen. Ich hatte nie einen so genannten besten Freund, kam aber mit allen gut aus. Alle mochten mich, und ich mochte alle, nur eben keinen besonders. Vielleicht hatte ich damals schon Probleme mit den Gefühlen anderer Leute. Ihr Verhalten war mir oft ein Rätsel, weil ich nicht nachvollziehen konnte, warum sie in verschiedenen Situationen die Unwahrheit sagten. Mir persönlich war es lange Zeit zu anstrengend, kunstvolle Gebilde zu ersinnen, um Tatsachen zu vernebeln. Man musste sich doch mindestens die doppelte Menge an Fakten merken und höllisch aufpassen, dass einem bei der nächsten Schilderung diese Fakten nicht durcheinander gerieten. Vielleicht fehlte mir, wie meine Schwester Ina meinte, einfach die Phantasie zum Flunkern. Ina war acht Jahre älter als ich, schaffte das locker und immerzu. Sie nannte es Notlügen.
    «Mir ist die Straßenbahn vor der Nase weggefahren», wenn sie später als befohlen heimkam. Oder:
    «So ein Mist, jetzt ist mir der glitschige Teller aus der Hand gerutscht», wenn sie keine Lust hatte, den kompletten Abwasch zu machen. Besondere Vorteile hatte sie dadurch nicht, so oder so gab es Vorhaltungen, manchmal Stubenarrest, bei zerdeppertem Geschirr sogar Abstriche beim Taschengeld. Deshalb sah ich nicht ein, wozu lügen gut sein sollte. Aber meine Mutter tat es auch. Einmal wurde ich Zeuge, wie sie das Bügeleisen auf ein weißes Hemd meines Vaters setzte und einschaltete. Sie konnte das Hemd nicht ausstehen, hatte bis dahin immer gemeckert, es sei so schwer zu bügeln. Das heiße Eisen hinterließ auf dem Stoff einen dunkelbraunen Abdruck. Und Mutter erklärte ohne das geringste Anzeichen von Schuldbewusstsein, sie habe das Eisen hochkant gestellt, als das Telefon klingelte. Es müsse ganz von allein umgekippt sein. Später, als ich beruflich hin und wieder eine so genannte Legende brauchte, dachten sich meist andere etwas Sinnvolles aus. Damit hatte ich keine Schwierigkeiten, weil ich die Nützlichkeit falscher Behauptungen einsah. Aber als Kind wollte

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