Ein süßer Sommer
wäre ich hingefahren. Als ich dort angekommen sei, wäre der BMW gerade abgefahren. Ich hätte gesehen, dass sie am Steuer saß, und wäre ihr gefolgt. Und ich hätte nicht gewusst, dass sie im Besitz einer Schusswaffe war. Woher hätte ich das auch wissen sollen? Niemand hat Vorwürfe oder gar eine Anklage gegen mich erhoben. Ich hatte nichts getan, was per Gesetz oder nach moralischen Gesichtspunkten verboten gewesen wäre. Ich hatte nur ein fremdes Mädchen bei mir aufgenommen, von dem ich bloß wusste, was es bereitwillig erzählte. Für eine Nacht, hatte ich auf dem Bahnsteig gedacht. Und schon nach der ersten Nacht passte es mir nicht mehr, dass sie wieder aus meinem Leben verschwinden wollte. Ich hatte ihr verschwiegen, welchem Beruf ich nachging. Und seitdem muss ich mich ständig fragen, was und wie viel sie mir erzählt hätte, wenn ich es ihr schon im Zug gesagt hätte, zumindest andeutungsweise. Oder wenigstens an dem Samstagmorgen, als ich sie zur Mutter vom Löwen Leo und zu dem vermeintlich lügenden Vermieter nach Köln-Sülz fuhr. Ich hatte meine Anstellung bei Hamacher genutzt, um Candys Wunsch zu erfüllen. Ohne an ihrer Version zu zweifeln. Dabei wusste ich schon zu dem Zeitpunkt, dass sie es mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Und man sollte auch meinen, vier Jahre Arbeit für die Agentur hätten mich wachsam gemacht, hellhörig, aufmerksam für die kleinen Widersprüche und Ungereimtheiten im Leben anderer. Aber wer rechnet denn damit, eines Tages im eigenen Wohnzimmer über so ein dunkles Geheimnis zu stolpern? Ich hatte nicht damit gerechnet. Ich hätte das Drama verhindern können. Niemand sprach es aus. Aber ich wusste, was alle dachten. Ich denke es heute noch. Wäre ich nicht gar so blauäugig gewesen und nicht gar so sehr damit beschäftigt, Candy zu lieben – hätte ich sie noch schneller wieder verloren. Und wie heißt es so schön:
«Liebe macht blind.» Kann schon sein. Was soll ich noch sagen? Dass ich immer noch für Hamacher arbeite, immer noch in der Wohnung am Wiener Platz und nach dem Motto lebe, dass man in einer Beziehung nur Probleme löst, die man allein gar nicht hätte. Ich bin gerne allein, weil ich – es klingt vielleicht verrückt, aber manchmal habe ich das Gefühl, sie hat mich mit ihrem letzten Atemzug nicht belogen und wäre bei mir geblieben.
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