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Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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sich zu führen. Es hing auch mit dem Gewicht des Rucksacks zusammen. Die Gurte ohne Abpolsterung auf den Schultern, unmöglich! Mit der Jacke und darunter noch einem dicken Pullover trug sich das Ding entschieden angenehmer. Das alles erfuhr ich innerhalb der ersten drei, höchstens vier Sekunden, während ich ihr den Rucksack abnahm. Nun hätte ich mich natürlich über das Gewicht desselben wundern können. Doch bevor es dazu kam, erklärte Candy auch das, zumindest fing sie damit an. Vor ein paar Tagen, als sie in Hamburg in den Zug gestiegen war, um ihre Tante Gertrud in Augsburg zu besuchen, hatten sich nur der Schlafsack, das Waschzeug und etwas Obst im Rucksack befunden. Da hatte sie sich mit der Jacke über dem T-Shirt begnügt. Und das war eigentlich schon zu warm gewesen. Ob ich nicht auch fand, dass es für einen Juni in diesen Breiten viel zu heiß sei? Und ob ich mir vorstellen könne, was diese unnatürlichen Wetterbedingungen auslöste? Nein? Die Umweltverschmutzung, was denn sonst!? Das Ozonloch, die unverantwortliche Verschwendung unersetzlicher Rohstoffe. Es musste ja jeder ein Auto haben! Wer ging denn noch einen Schritt zu Fuß oder nahm für längere Strecken ein öffentliches Verkehrsmittel? Nur Leute wie wir. Sie hatte den Faden verloren, was immer für das Gewicht des Rucksacks verantwortlich sein mochte, erfuhr ich vorerst nicht. Stattdessen machte sie sich daran, mir zu danken. Es war wirklich unwahrscheinlich nett von mir, ihr zu helfen. Man traf heutzutage leider kaum noch Leute, die nett und auch noch hilfsbereit waren. Ihre Stimme überschlug sich vor Eifer, mir meine Einmaligkeit zu bescheinigen. Zwischen den einzelnen Worten und Sätzen war nicht die Zeit gewesen für einen Atemzug. Den holte sie jetzt nach und ließ sich dabei auf den Sitz mir gegenüber fallen. Mir fiel währenddessen der Rucksack fast aus den Händen. Ich war bestimmt nicht schwächlich, stemmte bei den Übungen, die Hamacher seinen Mitarbeitern im Außendienst der Fitness halber verordnete, bis zu fünfzig Kilo. Der Rucksack musste schwerer sein und blieb erst mal zwischen meinen Beinen stehen. Ich hievte ihn später neben ihre Reisetasche auf einen Sitz, stieß mir dabei das Knie an einer der vielen steinharten Ausbuchtungen. Fragte mich, ob sie Goldbarren oder Steine darin verstaut hatte und auf dem Weg zu irgendeiner Demo war. War wieder mal glücklich, den Beruf gewechselt zu haben, und musste flüchtig an eine Ameise denken, die ja erwiesenermaßen auch das Mehrfache ihres eigenen Körpergewichts schleppen konnte. Währenddessen hörte ich mir an, dass Tante Gertrud im nächsten Jahr vierundsechzig wurde, die älteste Schwester ihrer Mutter war, keine eigenen Kinder hatte und vermutlich allein deshalb aus lauter Sorge um die Nichte halb verrückt wurde. Tante Gertrud hätte Candy eigentlich gerne persönlich zum Bahnhof gebracht, hatte aber heute Nachmittag an der Uni zu tun gehabt, sodass Candy notgedrungen ein Taxi genommen hatte. Noch lieber hätte Tante Gertrud es gesehen, wenn Candy in Augsburg geblieben wäre. Aber Europa lockte. In den nächsten sechs bis acht Wochen wollte Candy so viel wie eben möglich davon sehen. Die schmutzigen Kanäle von Venedig, die auch nicht eben klaren Grachten von Amsterdam, ein Stück vom Rhein, dessen Wasserqualität sich ja angeblich verbessert haben sollte, was Candy allerdings nicht so unbesehen glaubte. Die Rhône, die Seine, den Po und natürlich die Adria, dieses erbarmungswürdige Fleckchen, dessen ökologischen Tod niemand mehr verhindern konnte. Wenn das Studium erst begonnen hatte, war es vorbei mit dem Reisen. Da sollte man sich nicht zu lange an einem Ort aufhalten, vor allem dann nicht, wenn man den Ort ohnehin schon kannte wie seine eigene Hosentasche.
    «Kennen Sie Augsburg?» Ich hütete mich, den beständig plätschernden Wasserfall mit mehr als einem Kopfschütteln zu kommentieren, und ließ mir vom Sommer berichten, in dem Candy volle drei Wochen bei Tante Gertrud verbracht hatte, um ihren Eltern nach einem Umzug beim Einräumen nicht im Weg zu stehen. Inzwischen hatte sie die Beine ausgestreckt und zwei vergebliche Versuche unternommen, sie übereinander zu schlagen. Doch ihre Jeans war anscheinend zu eng. Die Jacke hatte sie neben sich gelegt, darunter trug sie tatsächlich einen offenbar selbst gestrickten und entsprechend dehnbaren Pullover. Er wurde urplötzlich und mitten in einem Satz über den Kopf gerissen und auf die Jacke gepackt. Mit dem

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