Ein süßer Sommer
ist ja furchtbar.» Es klang nicht so, als sei sie tatsächlich erschüttert. Anschließend wollte sie wissen:
«Kennen Sie denn eine preiswerte Pension? Am besten in der Nähe des Hauptbahnhofs.» Ich schüttelte den Kopf. Und sie erkundigte sich weiter, ob ich wüsste, mit welchen Straßenbahnlinien sie vom Hauptbahnhof nach Köln-Sülz, Köln-Klettenberg und zur Universität käme. Da konnte ich ihr auch nicht helfen. Ich fuhr nie mit der Straßenbahn.
«Meine Mutter hat in Köln studiert, Geschichte, Philosophie und Pädagogik», erklärte sie noch. Und diesmal fiel mir der gedämpfte Ton auf. Aber ich kam nicht mehr dazu, mich nach der Ursache für den Trauerflor in ihrer Stimme zu erkundigen. Wir waren am Ziel. Kurz nach neun fuhr der Zug im Kölner Hauptbahnhof ein. Candy zog ihren Pullover an und die Jacke darüber. Ich half ihr mit dem Rucksack und wunderte mich, dass sie mit diesem Gewicht auf dem Rücken überhaupt noch gerade stehen konnte. Sie hängte sich den Riemen des winzigen roten Täschchens über die Schulter. Dass ich ihr die antiquiert aussehende, pralle Reisetasche hinaus auf den Bahnsteig trug, lehnte sie ab.
«Das schaffe ich schon allein. Die ist nicht so schwer, wie sie aussieht. Ich muss sie ja danach auch tragen.» Sie lächelte mit einem Hauch von Bedauern. Inzwischen fand ich ihr Lächeln sehr sympathisch.
«Es war nett mit Ihnen», sagte sie.
«Die Zeit ist viel schneller vergangen, als ich mir das vorgestellt hatte. Vielleicht sehen wir uns mal wieder. Ich bleibe ein paar Tage in Köln.» Sie stand vor mir an der Tür, ein wenig unförmig mit dem prallen Sack auf dem Rücken, neigte den Kopf leicht zur Seite.
«Und Sie kennen wirklich keine preiswerte Pension oder ein billiges Hotel? Es muss nicht komfortabel sein. Ich stelle keine großen Ansprüche. Und eigentlich haben Sie Recht, es ist vielleicht keine gute Idee, die Nächte am Rhein zu verbringen. Da sollte ich mich besser bei Tag umsehen.» Das sah ich auch so, aber zu ihrer Frage musste ich passen.
«Mist», fluchte sie, kaute auf ihrer Unterlippe.
«Dann muss ich doch im Cranachwäldchen schlafen und alles mitschleppen. In einem Schließfach am Bahnhof kann ich mein Gepäck nicht lassen. Ich brauche die Sachen ja.» Den Kopf immer noch geneigt, schaute sie mich abwägend an. Sie hatte mich wohl längst als harmlos eingeordnet. Ein unauffälliger, gutmütiger, grauer Mäuserich. So sah ich damals aus, das wusste ich selbst. Es war berufsbedingt. Wer anderen hinterherspionierte, durfte nicht auffallen. Auch als Leibwächter sollten wir nicht martialisch auftreten: Anzüge in gedeckten Farben und dezente Hemden waren erwünscht. Ich hätte ein Bankangestellter sein können.
«Verheiratet sind Sie nicht, oder?», wollte Candy wissen.
«Nein», sagte ich.
«Aber Sie leben mit Ihrer Freundin zusammen.»
«Nein», sagte ich noch einmal. Candy überlegte, seufzte dabei, vielleicht nur, weil ich nicht auf Anhieb zu begreifen schien, worauf sie abzielte.
«Viel Platz brauche ich nicht», erklärte sie. Der Zug kam mit einem Ruck zum Stehen. Das ersparte mir, sofort auf ihre letzte Bemerkung zu reagieren. Sie stieg vor mir aus, drehte sich jedoch auf dem Bahnsteig gleich wieder zu mir um. Die Sonnenbräune auf ihrem Gesicht vermischte sich mit Entschlossenheit.
«Es ist bestimmt sehr aufdringlich, wenn ich Sie frage», stellte sie fest.
«Aber ich brauche wirklich nicht viel Platz. Und wenn ich ehrlich sein soll, mir graut ein bisschen davor, jetzt allein am Rhein zu sitzen.» Ich meinte, so etwas wie Schalk in ihrer Stimme zu hören, als sie hinzufügte:
«Wenn da schon mal eine junge Frau umgebracht wurde, vielleicht spukt es. Glauben Sie an so etwas?»
«Nein», sagte ich. Sie lächelte.
«Morgen früh verschwinde ich gleich wieder. Ich will nämlich ein paar Freunde meiner Mutter besuchen. Es wäre wirklich nur für die eine Nacht. Und ich brauche nicht mal eine Couch. Ich habe ja den Schlafsack.»
«Warum übernachtest du nicht bei den Freunden deiner Mutter?» Das wäre nahe liegend gewesen, fand ich. Sie lächelte weiter, harmlos und naiv.
«Da kann ich nicht so einfach abends auftauchen. Ich habe mich nicht angemeldet. Es soll eine Überraschung werden.»
«Ach so», sagte ich nur.
«Ja dann. – Gut, für eine Nacht.» Für einen Moment war sie richtig sprachlos, starrte mich ungläubig an.
«Im Ernst? Ich kann bei Ihnen übernachten?» Als ich nickte, stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus:
«Das
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