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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Genosse Johnny Lennox.
    Philip machte all seinen Einfluss geltend, um herauszufinden, wo ihr Sohn war. Bei den Internationalen Brigaden? In Madrid? Katalonien? Offenbar wusste es niemand. Julia war geneigt, Verständnis für ihren Sohn zu haben, denn es hatte sie schockiert, wie die gewählte Regierung in Spanien von England und Frankreich behandelt worden war. Ihr Mann, der schließlich Diplomat war, verteidigte seine Regierung und sein Land, aber wenn er mit ihr allein war, sagte er, dass er sich schäme. Er war kein Bewunderer der Politik, die er verteidigte und gestaltete.
    Monate vergingen. Dann kam ein Telegramm von ihrem Sohn, in dem er um Geld bat: als Adresse ein Haus im East End von London. Wie Julia sofort erkannte, hieß das, dass sie ihn besuchen sollten, sonst hätte er eine Bank genannt und das Geld dort abgeholt. Zusammen fuhren sie und Philip zu einem Haus in einer ärmlichen Straße und stellten fest, dass Johnny von einer anständigen Frau gepflegt wurde, einer Frau, in der Julia sofort ein mögliches Dienstmädchen erkannte. Er lag in einem Zimmer im Obergeschoss und hatte Hepatitis, die er sich vermutlich in Spanien eingefangen hatte. Als sie sich dann mit der Frau unterhielten, die sich Genossin Mary nannte, stellte sich allmählich heraus, dass sie von Spanien nichts wusste, und dann, dass Johnny nicht in Spanien gewesen war, sondern hier in diesem Haus und krank.
    »Hat ganz schön lange gedauert, bis ich kapiert habe, dass er einen regelrechten Zusammenbruch hat«, sagte Genossin Mary.
    Ihre Familie war sehr arm. Als Philip einen großzügigen Scheck ausstellte, teilte man ihm höflich mit, man habe kein Bankkonto, als kleinen sarkastischen Hinweis darauf, dass Bankkonten etwas für Wohlhabende waren. Weil sie so viel Geld nicht dabeihatten, sagte Philip, das Geld werde ihnen am nächsten Tag gebracht, und so war es auch. Jolyon, der darauf bestand, Johnny genannt zu werden, war so dünn, dass unter der fahlen Haut das Skelett zu erahnen war, und obwohl er immer wieder sagte, dass Genossin Mary und ihre Familie das Salz der Erde seien, war er gerne bereit, nach Hause zurückzukehren.
    Das war das Letzte, was seine Eltern von Spanien hörten. In der Young Communist League, in der er jetzt zum Star wurde, war er der Held aus dem Spanischen Bürgerkrieg.
    Johnny hatte in dem großen Haus ein Zimmer und dann eine Etage, und es kamen unzählige Leute, die seine Eltern beunruhigten und Julia ausgesprochen traurig machten. Alle waren Kommunisten, in der Regel sehr jung, und immer nahmen sie Johnny mit zu Versammlungen, Kundgebungen, Wochenendseminaren, Märschen. Julia sagte zu Johnny, dass er solche Leute meiden würde, wenn er die Straßen in Deutschland gesehen hätte, die voller rivalisierender Banden seien, und der Streit, der darauf folgte, hatte zum Ergebnis, dass er einfach ging. Er nahm spätere Verhaltensmuster vorweg, indem er bei Genossen wohnte, auf dem Fußboden schlief oder wo auch immer es ein Eckchen für ihn gab, und seine Eltern um Geld bat. »Ihr wollt doch sicher nicht, dass ich verhungere, auch wenn ich Kommunist bin.«
    Julia und Philip wussten nichts von Frances, nicht, bis Johnny sie heiratete, als er auf Urlaub war, aber Julia kannte »diesen Typ Mädchen«, wie sie es nannte, sehr gut. Sie hatte die schicken, frechen, flirtenden Mädchen beobachtet, die für die höheren Beamten arbeiteten – manche waren der Abteilung ihres Mannes zugeordnet. Sie hatte sich gefragt: »Ist es richtig, sich mitten in diesem schrecklichen Krieg so zu amüsieren?« Zumindest konnte niemand behaupten, dass sie Heuchlerinnen waren. (Eine alte Dame, die weiße Locken mit Haarspray befestigte und sich trübsinnig im Spiegel betrachtete, sagte Jahrzehnte später: »Ach, wir haben uns so gut amüsiert, so gut – es war so
glamourös
 –, verstehst du das?«)
    Für Julia hätte der Krieg wirklich schrecklich werden können. Ihr Name hatte auf einer Liste derjenigen Deutschen gestanden, die in das Internierungslager auf der Isle of Man geschickt werden sollten. Philip sagte zu ihr: »Es stand nie zur Debatte, dass du interniert werden solltest, es war nur ein Verwaltungsfehler.« Fehler hin, Fehler her, Philip hatte intervenieren müssen, damit ihr Name gestrichen wurde. Dieser Krieg quälte Julia, weil er sie an den letzten erinnerte, und sie konnte nicht glauben, dass Länder, die eigentlich Freunde sein sollten, schon wieder gegeneinander Krieg führten. Es ging ihr nicht gut, sie schlief

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