Ein süßer Traum (German Edition)
für ein Recht, irgendeine Normalität zu erwarten? Bei unserer Familiengeschichte? Nichts als Kriege und Störungen und Genossen? So ein Blödsinn!« Er lachte, und der Geruch von Alkohol stand im Raum.
»Du musst aufhören zu trinken, wenn du ein Baby hast. Sonst lässt du es vielleicht fallen oder …«
»Was? Vielleicht was, kleine Sylvia?«
Sie seufzte und sagte sanft, als würde sie ihm demütig ein Bild in einem Buch zeigen: »Joshua, das ist der Mann, von dem ich dir erzählt habe – ein Schwarzer natürlich … er hat seinen Zweijährigen ins Feuer fallen lassen. Das Kind war so schlimm verbrannt, dass … wenn das in diesem Land passiert wäre, hätte man ihn natürlich entsprechend behandeln können.«
»Sylvia, ich glaube nicht, dass ich unser Kind in ein Feuer fallen lasse. Mir ist vollkommen klar, dass ich … dass ich mich befriedigender benehmen könnte.« Das war so komisch, dass sie lachen musste, und Colin lachte auch, aber nicht sofort. »Ich bin ein Chaot. Aber was kann man von Genosse Johnnys Nachkommen schon erwarten? Weißt du was? Als ich noch ein Höhlenbär war, der manchmal einen Ausflug in den Pub machte oder eine Affäre hatte oder eine
Beziehung
– mit diesem Wort geht man wirklich allem aus dem Weg –, da bin ich mir nicht vorgekommen wie ein Chaot. Aber als meine Sophie eingezogen ist und wir eine glückliche Familie waren, da wusste ich, ich bin nur ein Bär, der nicht stubenrein ist. Ich weiß nicht, wie sie es mit mir aushält.«
»Colin, ich würde wirklich gern etwas mit dir besprechen.«
»Ich sage ihr immer, dass sie vielleicht doch noch einen Ehemann aus mir macht, wenn sie dranbleibt.«
»Bitte, Colin.«
»Was soll ich tun?«
»Ich will, dass du nach Simlia fährst und dich dort umschaust und die Wahrheit schreibst.«
Schweigen. Sein Lächeln war leicht ironisch. »Das erinnert mich doch an etwas! Sylvia, weißt du noch, wie die Genossen immer in die Sowjetunion gefahren sind oder in die verbündeten kommunistischen Paradiese, um sich dort umzuschauen, und dann zurückkamen, um die Wahrheit zu sagen? Daraus müssen wir doch schließen, bei all dem besseren Wissen, mit dem wir als glückliche Erben beschenkt worden sind, dass man die Wahrheit auf eine Weise ganz bestimmt nicht findet, indem man nämlich irgendwo hinfährt und sich dort umschaut.«
»Also machst du es nicht?«
»Nein. Ich weiß überhaupt nichts über Afrika.«
»Ich kann dir so viel darüber erzählen. Verstehst du denn nicht? Was da vorgeht, hat nichts mit dem zu tun, was in der Zeitung steht.«
»Warte einen Moment.« Er drehte sich um, zog eine Schublade auf, fand einen Zeitungsausschnitt und sagte: »Hast du das gesehen?« Er hielt ihn hoch.
Verfasser: Johnny Lennox.
»Ja, habe ich. Frances hat ihn mir geschickt. Das ist derartiger Unsinn, der politische Führer ist nicht so, wie die Zeitungen ihn beschreiben.«
»So eine Überraschung.«
»Als ich Johnnys Namen gesehen habe, konnte ich es nicht glauben. Hat er sich jetzt in einen Afrika-Experten verwandelt?«
»Warum nicht? Es hat sich zwar erwiesen, dass all ihre Idole auf tönernen Füßen stehen, aber Kopf hoch! In Afrika gibt es einen unbegrenzten Vorrat an großen politischen Führern, Schläger und Tyrannen und Diebe, also können alle armen Seelen, die einen Führer lieben müssen, jetzt schwarze Führer lieben.«
»Und wenn es ein Massaker gibt oder einen Stammeskrieg oder ein paar Millionen Vermisste, dann muss man nur murmeln: Das ist eine andere Kultur«, sagte Sylvia, die sich den Freuden der Gehässigkeit ergab.
»Und der arme Johnny muss schließlich etwas essen. So ist er immer bei irgendeinem Diktator zu Gast.«
»Oder auf einer Konferenz, wo man über das Wesen der Freiheit diskutiert.«
»Oder auf einem Symposion über die Armut.«
»Oder auf einem Seminar, das die Weltbank veranstaltet.«
»Im Grunde ist das ein Teil des Problems – ein alter Roter kann nicht über Freiheit und Demokratie salbadern, aber das steht auf unserer Agenda. Johnny ist nicht mehr so gefragt wie früher. Ach, Sylvia, du fehlst mir so. Warum wohnst du so weit weg? Warum können wir nicht alle zusammen für immer in diesem Haus wohnen und vergessen, was draußen vorgeht?« Er war lebhaft und nicht mehr verkatert und blass, und er lachte.
»Wenn ich dir alle Fakten gebe, das Material, dann kannst du ein paar Artikel schreiben.«
»Warum fragst du nicht Rupert? Der ist ein seriöser Journalist.« Er fügte hinzu: »Er ist
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