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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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denken.«
    »Wenn wir Tee trinken wollen, müssen wir das jetzt tun. Es ist beinahe Zeit, zum Flughafen zu fahren.«
    »Dann gehst du wohl lieber, oder?«
     
    Sylvia stand wieder in der Ankunftshalle des Flughafens von Senga, die so überfüllt war wie beim letzten Mal, und wieder waren zwei Klassen von Menschen durch ihre Hautfarbe, aber noch mehr durch ihren Status getrennt. Aber etwas hatte sich verändert. Vor vier – nein, vor fünf Jahren waren die Leute energisch und zuversichtlich gewesen, ja, aber so kurz nach dem Krieg hatten Gesichter und Körperhaltung noch immer die geübte Besorgnis gezeigt, als wäre die Nachricht vom Frieden noch nicht bis in die letzte Faser der Menschen gedrungen. Die Nerven waren noch auf schlechte Nachrichten gefasst gewesen. Aber jetzt waren alle ausgelassen und triumphierten wegen ihrer erfolgreichen Einkäufe in London, mit denen das kleine, knarrende Gepäckband so schwer beladen war. Große Koffer, Kühlschränke, Gepäck und Möbel kippten vom Band und wurden von ihren lachenden Besitzern eilig weggezerrt. Nie hatte es eine Gesellschaft von Reisenden gegeben, die so unverhohlen selbstgefällig war wie diese; im Flugzeug hatte unter den Weißen der Begriff
neue Nomenklatura
zirkuliert, und man hatte den Klatsch genossen.
    Und wieder gab es die Trennung durch die Kleidung: die neue schwarze Elite, die dreiteilige Anzüge trug und sich Schweiß aus den strahlenden Gesichtern wischte, und die lässig in Jeans und T-Shirts gekleideten Weißen, die unterwegs waren zu hundert verschiedenen jämmerlichen Stationen im Busch oder in der Stadt. Bald starrten die so verschiedenen Kategorien des Seins auf einen Punkt: auf eine junge schwarze Frau von etwa achtzehn, die sehr hübsch war, Kleidung von irgendeinem Designer und Stöckelschuhe wie Spieße trug und bockig die Stirn runzelte, wie verwöhnte junge Leute es tun. Sie hatte zwei Gepäckträger zu sich beordert. Vom Gepäckband hoben sie einen, zwei, drei, vier – waren das alle? –, nein, sieben, acht Louis-Vuitton-Koffer. »Boy, bring das hierher«, sagte sie zu ihnen in dem hohen, gebieterischen Ton, den sie von den weißen Madams aus der früheren Zeit gelernt hatte – niemand würde es mehr wagen, jetzt so zu reden. »Boy – beeil dich.« Sie ging zum Anfang der Schlange. »Boy, zeig dem Beamten meine Koffer.« Ein großer Schwarzer in der Schlange sagte auf onkelhafte und besitzergreifende Weise etwas zu ihr, damit alle sahen, dass er diese blendende Erscheinung kannte, und sie warf den Kopf herum und lächelte ihn an, teils erfreut und teils, als wollte sie sagen: Wer bist
du
denn, dass du mir sagst, was ich zu tun habe? Alle Schwarzen betrachteten stolz diese Errungenschaft ihrer Unabhängigkeit, während die weißen Gesichter der Normalsterblichen um einen unbeteiligten Ausdruck bemüht waren, obwohl man natürlich Blicke tauschte. Man würde später über den Vorfall sprechen, wenn man sicher zu Hause war. Beim Zoll sagte sie: »Ich bin die Tochter von Soundso« – einem höheren Minister –, und zu den Trägern: »Boy … Boy – kommt mit.« Und sie ging durch den Zoll und dann durch die Passkontrolle, als wäre beides gar nicht da.
    Sylvias Gepäck bestand aus vier großen Kisten und einer kleinen Reisetasche für ihre Kleider, und während sie zusah, wie die Zollbeamten mit Kreide ihr O.k. auf ganze Haushalte schrieben, wusste sie, dass sie das nicht erwarten konnte. Diesmal hatte sie mit ihrem Sitznachbarn im Flugzeug kein Glück gehabt. Sie hielt unter den Gesichtern der Zollbeamten Ausschau nach dem jungen, bemühten, freundlichen Gesicht vom letzten Mal, aber der Mann hatte keinen Dienst, oder auch er hatte sich zu einem sehr korrekten Beamten entwickelt. Als sie an der Spitze der Schlange ankam, stand sie einem Mann gegenüber, der die Stirn runzelte.
    »Und was haben Sie da alles?«
    »Das sind zwei Nähmaschinen.«
    »Und wozu brauchen Sie Nähmaschinen? Sind die für Ihr Geschäft?«
    »Nein, das sind Geschenke für die Frauen in der Mission von Kwadere.«
    »Geschenke. Und was bezahlen die Ihnen dafür?«
    »Nichts«, sagte Sylvia und lächelte ihn an: Sie wusste, dass die Nähmaschinen diesen Mann rührten, vielleicht hatte er zugesehen, wie seine Mutter oder seine Schwester an einer arbeiteten. Aber die Pflicht siegte.
    »Die müssen ins Depot. Dann wird man Ihnen mitteilen, was Sie dafür bezahlen müssen.« Die beiden Kisten wurden seitlich heruntergehoben: Sylvia wusste, dass sie sie

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