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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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sie hatten gedacht, sie hätten es verstanden, aber Clever hatte offenbar den falschen Knopf gedrückt, denn als er sie das nächste Mal aufsuchen wollte, hing an der Tür ein Schild: »Außer Betrieb.« Beide hatten das Gefühl, dass die Stewardessen sie kritisch ansahen und dass das Flugzeug ihretwegen abstürzen könnte, wenn sie Dummheiten machten.
    Jetzt, wo Sylvia zwischen ihnen saß und die Arme um sie legte, konnten sie durch ihre Kleider hindurch spüren, dass sie kalt war und zitterte. Das überraschte sie nicht. Als sie vom Flughafen gekommen waren und durch das Fenster den triefenden grauen Himmel und die endlosen Gebäude und die vielen Leute gesehen hatten, die verschnürt waren wie Pakete, hätten sie sich beide am liebsten eine Decke über den Kopf gezogen.
    »Ihr habt doch sicher im Flugzeug kein Auge zugetan?«, fragte Colin.
    »Eher nicht«, sagte Sylvia. »Und die Jungen waren zu überwältigt von allem. Sie kommen aus einem Dorf, weißt du. Das ist alles neu für sie.«
    »Ich verstehe«, sagte Colin, und das tat er auch, so weit das möglich ist, wenn man es nicht selbst gesehen hat.
    »Wohnt jemand in Andrews altem Zimmer?«
    »Ich arbeite da.«
    »Und in deinem alten Zimmer?«
    »Da wohnt William.«
    »Und in dem kleinen Zimmer auf dieser Etage? Wir könnten zwei Betten hineinstellen.«
    »Ein bisschen klein für zwei Betten?«
    Zebedee sagte: »In unserer Hütte haben fünf Leute gewohnt, bis meine Schwester starb.«
    »Sie war nicht richtig unsere Schwester«, sagte Clever. »Sie war unsere Cousine, wenn man denkt wie wir. Wir haben ein anderes Verwandtschaftssystem.« Er fügte hinzu: »Sie ist gestorben. Sie war sehr krank und ist gestorben.«
    »Ich weiß, dass Verwandtschaft bei euch etwas anderes bedeutet. Ich freue mich schon darauf, dass du es mir erklärst.« Colin fing gerade an, die Jungen voneinander zu unterscheiden. Clever war der Dünne, Beflissene mit den riesigen, flehenden Augen; Zebedee war kräftiger und hatte breite Schultern und ein Lächeln, das ihn an Franklin erinnerte.
    »Können wir uns den Kühlschrank anschauen? Wir haben noch nie so einen großen Kühlschrank gesehen.«
    Colin zeigte ihnen den Kühlschrank mit den vielen Regalen, der Innenbeleuchtung, den Gefrierfächern. Sie stießen erstaunte Rufe aus und bewunderten ihn, schüttelten die Köpfe, und dann standen sie da und gähnten.
    »Kommt.« Colin legte ihnen einen Arm um die Schultern und führte sie die Treppe hinauf, gefolgt von Sylvia. Stufen, Stufen – die Jungen hatten im Selous Hotel zum ersten Mal eine Treppe gesehen. Sie gingen hinauf, vorbei an der Etage mit dem Wohnzimmer, vorbei an Frances’ und Ruperts Wohnung und an dem kleinen Zimmer, in dem Sylvia einmal gewohnt hatte, bis zu der Etage, in der Colin und Andrew aufgewachsen waren. In dem kleinen Zimmer stand schon ein großes Bett, und als Colin gerade sagte: »Wir besorgen euch etwas Besseres«, hatten sich die beiden bereits darauf geworfen und schliefen auf der Stelle ein.
    »Arme Kinder«, sagte Colin.
    »Wenn sie aufwachen, haben sie panische Angst.«
    »Ich sage Marusha, sie soll die Augen aufhalten … Und wo schläfst du, hast du daran gedacht?«
    »Ich kann mich unten im Wohnzimmer hinhauen, bis …«
    »Sylvia, du denkst doch nicht daran, die Jungen bei uns abzuladen und dann zu verschwinden nach – was hast du gesagt?«
    »Somalia.«
    Sylvia hatte an gar nichts gedacht. Seit sie Joshua das Versprechen gegeben hatte, war sie von dem Bemühen getragen gewesen, es zu erfüllen, und sie hatte sich nicht erlaubt, darüber nachzudenken oder die beiden Tatsachen zusammenzuführen, dass sie verantwortlich für die Jungen war und dass sie versprochen hatte, in drei Wochen in Somalia zu sein.
    Sie gingen die Treppe wieder hinunter, setzten sich an den Tisch und lächelten einander an.
    »Sylvia, hast du daran gedacht, dass Frances allmählich alt wird, dass sie über sechzig ist? Wir haben ein großes Fest für sie gegeben. Nicht, dass sie so aussieht oder sich so verhält.«
    »Und sie muss sich um Margaret und William kümmern.«
    »Nur William.« Und nun erzählte er ihr in Ruhe die Geschichte – sie hatten alle Zeit der Welt. Margaret hatte beschlossen, bei ihrer Mutter zu wohnen, ohne mit ihnen darüber zu sprechen. Ihre Mutter hatte sie auch nicht gefragt, sondern sie war einfach bei Phyllida aufgetaucht und hatte zu Meriel gesagt: »Ich ziehe jetzt zu dir.«
    »Hier ist kein Platz«, hatte Meriel prompt gesagt. »Erst, wenn

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