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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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schimmern schien, mit weichem goldenem Haar und riesigen blauen Augen. Sie trug eine weiße Bluse und nicht dieses schreckliche grüne Weiße-Madam-Kostüm. Sie wirkte geradezu durchscheinend, wie ein Geist oder eine goldhaarige Madonna aus seiner lange vergangenen Schulzeit.
    Entwaffnet und hilflos sagte er: »Komm herein.« Und dann schritten sie durch die Korridore der Macht und über Treppen in sein Büro, wo er sich setzte und seufzte, aber auch lächelte und ihr mit einer Geste einen Stuhl anbot.
    »Was willst du denn?«
    »Ich habe zwei Jungen aus Kwadere dabei. Sie sind elf und dreizehn. Sie haben keine Familie. Alle Angehörigen sind an Aids gestorben. Ich nehme sie mit nach London, und ich will, dass du Pässe für sie besorgst.«
    Er lachte. »Aber ich bin der falsche Minister. Das ist nicht mein Ressort.«
    »Bitte besorge sie ihnen. Das steht doch in deiner Macht.«
    »Und warum willst du uns unsere Kinder stehlen?«
    »Stehlen! Sie haben keine Familie, keine Zukunft. Sie haben nichts gelernt in eurer sogenannten Schule, in der es keine Bücher gibt. Ich habe ihnen Unterricht gegeben. Das sind sehr intelligente Kinder. Ich kann ihnen eine Ausbildung ermöglichen, sie wollen Ärzte werden.«
    »Und warum willst du das tun?«
    »Ich habe es ihrem Vater versprochen, der gerade an Aids stirbt. Inzwischen ist er sicher tot. Ich habe ihm versprochen, dass seine Söhne eine Ausbildung bekommen.«
    »Das ist lächerlich. Das kommt nicht in Frage. Jemand wird sich hier, in unserer Kultur, um sie kümmern.«
    »Du kommst nie aus Senga heraus, also weißt du nicht, wie es steht. Das Dorf stirbt aus. Es gibt mittlerweile mehr Menschen auf dem Friedhof als im Dorf.«
    »Und ist das meine Schuld, dass ihr Vater Aids hat? Ist diese schreckliche Sache unsere Schuld?«
    »Unsere ist es jedenfalls nicht, wie ihr nach wie vor behauptet. Du solltest aber wissen, dass die Leute in den ländlichen Distrikten sagen, dass die Regierung schuld ist an Aids, weil sich herausgestellt hat, dass ihr ein Haufen Gauner seid.«
    Sein Blick war unruhig. Er trank einen Schluck Wasser, wischte sich das Gesicht ab. »Es erstaunt mich, dass du auf so einen Klatsch hörst. Das sind Gerüchte, die südafrikanische Agenten streuen.«
    »Lass uns nicht die Zeit verschwenden. Franklin, ich habe Plätze für den Flug morgen Abend nach London gebucht.« Sie schob ihm ein Stück Papier mit den Namen der Jungen hin, dem Namen ihres Vaters, ihren Geburtsort. »Hier. Ich brauche nur ein Dokument, mit dem ich sie außer Landes bringen kann. Und ich kümmere mich darum, dass sie britische Pässe bekommen, wenn wir in London sind.«
    Er saß da und schaute den Zettel an. Dann hob er vorsichtig den Blick, und seine Augen waren voller Tränen. »Sylvia, du hast etwas ganz Schreckliches gesagt.«
    »Du musst wissen, was die Leute sagen.«
    »So etwas zu sagen, zu einem alten Freund.«
    »Gestern habe ich mir angehört, wie … der alte Mann hat mich verflucht, damit ich seine Söhne mit nach London nehme. Er hat mich verflucht … Ich stecke so voller Flüche, dass sie sicher schon aus mir herausquellen.«
    Jetzt sah er wirklich niedergeschlagen aus. »Sylvia, was sagst du da? Verfluchst du mich auch?«
    »Habe ich das gesagt?« Die tiefe, angespannte Furche zwischen ihren Augen ließ sie aussehen wie eine kleine Hexe. »Franklin, hast du schon einmal neben einem alten Mann gesessen, der an Aids stirbt und der dich nach Strich und Faden verflucht? – Seine Worte waren so schrecklich, dass seine Söhne mir nicht erzählen wollten, was er sagte.« Sie hielt ihm ihr Handgelenk hin, das rundherum schwarzblaue Flecken hatte, ein Muster, das aussah wie ein Armband.
    »Was ist das?«
    Sie beugte sich über den Schreibtisch und packte sein Handgelenk mit einem Griff, der so fest war wie der, den sie am Tag zuvor gespürt hatte. Sie hielt ihn fest, während er versuchte, sie abzuschütteln, und ließ erst nach einer Weile los.
    Er saß mit gesenktem Kopf da und warf ihr von Zeit zu Zeit einen panischen Blick zu.
    »Wenn dein Sohn morgen Abend nach London fahren wollte und einen Pass brauchte, erzähl mir nicht, dass du das nicht regeln könntest.«
    »O.k.«, sagte er endlich.
    »Ich warte dann im Selous Hotel auf die Papiere für die Jungen.«
    »Warst du krank?«
    »Ja. Malaria. Kein Aids.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Tut mir leid. Danke, Franklin.«
    »O.k.«, sagte er.
     
    Als Sylvia vor dem Abflug vom Flughafen aus zu Hause anrief, sagte sie, sie werde

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