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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Gästezimmer. Stille und Dunkelheit. Sie ging auf Zehenspitzen zum Bett und beugte sich über eine kindliche Gestalt unter dem Bettzeug. Ja, Tilly hatte den Daumen im Mund.
    »Ich schlafe nicht«, sagte ein Stimmchen.
    »Ich mache mir Sorgen um dich«, sagte Frances und hörte, dass ihre Stimme zitterte: Sie hatte sich geschworen, emotional keinen Anteil zu nehmen, denn das würde ohnehin nichts nützen, oder? »Was hältst du davon, wenn ich dir eine Tasse heiße Schokolade mache?«
    »Ich versuch’s.«
    In ihrem Arbeitszimmer, wo es einen Kessel und das Nötigste gab, machte Frances Schokolade und brachte sie dem Mädchen. Die Kleine sagte: »Du darfst nicht denken, dass ich nicht dankbar bin.«
    »Soll ich das Licht anknipsen? Willst du versuchen, sie jetzt zu trinken?«
    »Stell sie auf den Fußboden.«
    Frances tat es und wusste, dass die Tasse am nächsten Morgen höchstwahrscheinlich immer noch dort stehen würde, unberührt.
    Sie arbeitete bis spät in die Nacht. Sie hörte, wie Colin nach Hause kam und wie er und Sophie dann zu dem großen Sofa gingen, wo sie sich setzten und miteinander sprachen – sie konnte ihre Stimmen hören, gleich unter sich: Das alte rote Sofa stand genau unter ihrem Schreibtisch. Genau darüber stand Colins Bett. Dann hörte sie ihre gedämpften Stimmen und leisen Schritte gleich über sich. Sie war sicher, dass Colin wusste, wie man aufpasste: Das hatte er laut zu seinem Bruder gesagt, als der ihm einen Vortrag über diese Dinge hielt.
    Sophie war sechzehn. Stets hatte Frances den Wunsch, das Mädchen in die Arme zu nehmen und zu beschützen. Etwas, das sie für Rose, Jill, Lucy oder die anderen jungen weiblichen Wesen, die hereinschneiten und wieder gingen, nie empfand. Warum dann für Sophie? Sie war so schön, das war es: Sie wollte ihre Schönheit bewachen und beschützen. Aber
was
für ein Unsinn – sie, Frances, sollte sich schämen. Sie schämte sich für einiges an diesem Abend. Sie öffnete die Tür und lauschte. Unten in der Küche waren offenbar nicht nur Andrew, Rose, James … sie würde es morgen herausfinden.
    Sie schlief unruhig. Zweimal ging sie über den Treppenabsatz, um nach Tilly zu sehen; einmal fand sie ein sehr dunkles Zimmer vor, Stille und den schwachen, schalen Geruch von Schokolade. Beim zweiten Mal sah sie oben Andrew, der von einer ähnlichen Mission zurückkehrte, und ging wieder ins Bett. Sie lag wach. Das Problem war der Ladendiebstahl. Seit Colin nach einer nicht besonders guten Zeit auf der Gesamtschule schließlich das St. Joseph’s besuchte, tauchten immer wieder Gegenstände auf, von denen sie wusste, dass sie nicht ihm gehörten, nichts Besonderes, ein T-Shirt, ein Päckchen Kugelschreiber, eine Schallplatte. Schockiert war sie gewesen, als er eine Gedichtanthologie gestohlen hatte. Sie machte ihm Vorhaltungen. Er beklagte sich, dass alle das täten und dass sie spießig sei. Und damit war die Sache keineswegs erledigt. Es war schließlich eine progressive Schule! Jemand aus der ersten Welle der Schulfreunde, die kamen und gingen, wenn auch viel weniger frei, weil sie schließlich jünger waren, ein Mädchen namens Petula, ließ Frances wissen, dass Colin Liebe stahl: Der Gruppenlehrer habe das gesagt. Darüber wurde beim Essen lautstark diskutiert. Nein, nicht die Liebe ihrer Eltern, sondern die des Rektors, den Colin hin und wieder auf die Palme gebracht hatte. Geoffrey, der schon damals, vor über fünf Jahren, mehr oder weniger zum Inventar gehört hatte, war stolz auf das, was er aus den Läden zusammentrug. Sie war entsetzt gewesen, hatte aber nur gesagt: Na dann, lasst euch nicht erwischen. Sie hatte nicht gesagt: Tut das nicht – weil niemand ihr gehorcht hätte, aber auch weil sie damals keine Ahnung gehabt hatte, wie verbreitet es einmal sein würde, in den Geschäften zu stehlen. Und außerdem – und deswegen lag sie jetzt wach – hatte sie zu ihnen gehören wollen, zu den angesagten jungen Leuten, den neuen Aposteln der Mode und der Moral. Es gab zweifellos dieses Gefühl:
wir gegen die
 – oder hatte es gegeben. Petula, dieses sprühende Mädchen (das jetzt eine Schule für Diplomatenkinder in Hongkong besuchte), hatte gesagt, es sei ein Initiationsritus, zu stehlen, ohne erwischt zu werden, und die Erwachsenen müssten das verstehen.
    Frances würde einen soliden, langen und ausgewogenen Artikel über dieses Thema schreiben. Es tat ihr schon leid, dass sie zu diesem Job überhaupt ja gesagt hatte. Sie würde in

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