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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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rosafarbener Rock raschelte, während sie ihn mit einer Hand zusammenraffte.
    »Das wäre also das«, sagte Andrew zu seiner Mutter. »Gut gemacht, Sylvia!«, rief er dem Mädchen zu, und es lächelte, wenn auch schwach. Er rannte nach oben. Frances hörte, wie eine Tür sich schloss, Julias, und dann noch eine, Andrews. Im Zimmer gegenüber lag ein Fleck Sonnenlicht auf einem Kissen, und Sylvia, denn so hieß sie jetzt zweifellos, hielt ihre Hand dorthin, drehte sie hin und her, betrachtete sie prüfend.
    In diesem Moment hämmerte jemand an die Haustür, es klingelte mehrmals, und eine Frauenstimme rief. Das Mädchen, das in der Sonne auf dem Bett saß, stieß einen Schrei aus und verschwand unter dem Bettzeug.
    Als die Tür geöffnet wurde, tönte der Schrei: »Lasst mich rein!« durch das ganze Haus. Eine heisere, hysterische Stimme: »Lasst mich rein, lasst mich
rein

    Mit einem Knall flog Andrews Tür auf, und er kam die Treppe hinuntergestürzt und sagte: »Überlasst das mir, mein
Gott
, macht doch Tillys Tür zu.« Sofort rannte Frances hinüber und schloss die Tür, während Julia nach unten rief: »Was ist denn los, wer ist denn da?«
    »Ihre Mutter, Tillys Mutter!«, rief Andrew mit gedämpfter Stimme zurück.
    »Dann wird Sylvia jetzt bedauerlicherweise einen Rückfall haben«, sagte Julia und blieb oben stehen, als Wache.
    Frances, die noch im Nachthemd war, ging in ihr Zimmer und zog Jeans und einen Pullover an. Dann rannte sie die Treppe hinunter zu den Stimmen, die lautstark stritten.
    »Wo ist sie? Ich will zu Frances«, schrie Phyllida, und Andrew sagte ruhig: »Pst, schrei nicht so, ich hole sie.«
    »Hier bin ich«, sagte Frances.
    Phyllida war eine große Frau, dünn wie ein Strich, mit einem schlecht gefärbten rötlichen Haarwust und langen, nadelspitzen Nägeln, die leuchtend lila lackiert waren. Sie zeigte mit einer großen Hand zornig auf Frances und sagte: »Ich will meine Tochter wiederhaben. Du hast mir meine Tochter gestohlen.«
    »Sei nicht albern«, sagte Andrew, der die hysterische Frau umkreiste wie ein Insekt, das eine Stelle sucht, um zuzustechen. Er legte Phyllida beruhigend die Hand auf die Schulter, aber sie schüttelte sie ab, und Andrew, der plötzlich die Beherrschung verlor und über sich selbst erstaunt war, schrie sie an: »Jetzt reiß dich zusammen.« Er lehnte sich an die Wand, um sich zu sammeln. Er zitterte.
    »Und was ist mit mir?«, fragte Phyllida fordernd. »Wer kümmert sich um mich?«
    Frances stellte fest, dass auch sie zitterte; ihr Herz klopfte, sie atmete gepresst: Sowohl sie als auch Andrew konnten sich dem Einfluss dieses emotionalen Energiebündels nicht entziehen. Und tatsächlich: Phyllida, die aufrecht und triumphierend dastand, deren Augen ausdruckslos waren wie die einer Galionsfigur, wirkte ruhiger als sie.
    »Das ist nicht fair«, verkündete Phyllida und zeigte mit ihren lila Krallen auf Frances. »Warum kann sie denn hier wohnen und ich nicht?«
    Andrew hatte die Fassung wiedergewonnen. »Also, Phyllida«, sagte er, und das humorvolle Lächeln, das ihn schützte, war wieder da. »Weißt du, Phyllida, das kannst du wirklich nicht verlangen.«
    »Warum denn nicht?«, fragte sie und richtete ihre Aufmerksamkeit jetzt auf ihn. »Warum soll sie ein Zuhause haben und ich nicht?«
    »Aber du hast doch ein Zuhause«, sagte Andrew. »Ich habe dich dort besucht, weißt du das nicht mehr?«
    »Aber er geht weg und verlässt mich.« Dann kreischte sie: »Er geht weg und lässt mich allein.« Und zu Frances, ruhiger: »Hast du das gewusst? Wusstest du das? Er wird mich verlassen, wie er dich verlassen hat.«
    Bei dieser rationalen Bemerkung wurde Frances bewusst, wie vollständig sich die Hysterie der anderen offenbar auf sie übertragen hatte: Sie zitterte, und sie hatte weiche Knie.
    »Warum sagst du denn nichts?«
    »Was soll ich denn sagen?«, brachte Frances hervor. »Ich weiß nicht, warum du hier bist.«
    »Warum? Du hast tatsächlich die Frechheit zu fragen, warum?« Und sie fing an zu schreien: »Tilly, Tilly, wo bist du?«
    »Lass sie in Ruhe«, sagte Andrew. »Du beklagst dich immer, dass du nicht mit ihr umgehen kannst, also lass es uns mal versuchen.«
    »Aber sie ist hier.
Sie
ist hier. Und was ist mit mir? Wer kümmert sich um mich?«
    So würde das jetzt wahrscheinlich immer weitergehen.
    Andrew sagte ruhig, aber mit bebender Stimme: »Du kannst nicht erwarten, dass Frances sich um dich kümmert. Warum sollte sie?«
    »Aber was ist mit mir?

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