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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Sie hatte Colin gesagt, dass sie eine Pause brauche, und der hatte es Frances gesagt. Daniel war wieder in der Schule, aber es war zu erwarten, dass er zusammen mit Colin zurückkam: Jede Ausrede war ihm recht. Die »Kinder« glaubten wohl, dass es zu allen möglichen wunderbaren, dramatischen Vorfällen kam, sobald sie sich abwandten.
    Am Tischende gab es ein neues Gesicht, und es lächelte sie beschwichtigend an und wartete darauf, dass sie sagte: »Wer bist du? Was machst du hier?« Aber sie stellte ihm nur einen Teller Suppe hin und lächelte. »Ich bin James«, sagte er und wurde rot. »Hallo, James«, sagte sie. »Nimm dir Brot – und von allem anderen.« Er streckte peinlich berührt eine Hand aus und nahm sich ein großes Stück Vollkornbrot. Eine Weile saß er so da, hielt es in der Hand und sah sich mit sichtlichem Vergnügen um.
    »James ist mein Freund, also, eigentlich ist er mein Cousin«, sagte Rose, und es gelang ihr, gleichzeitig nervös und aggressiv zu klingen. »Ich habe gesagt, es ist in Ordnung, wenn er mitkommt … ich meine, zum Essen, ich meine …«
    Frances begriff, dass ein weiterer Flüchtling aus einer beschissenen Familie eingetroffen war, und überlegte, was für Lebensmittel sie am folgenden Tag würde einkaufen müssen.
    An diesem Abend saßen nur sieben am Tisch. Johnny stand steif wie ein Soldat am Fenster. Er wollte gebeten werden, sich zu setzen. Sie wollte verdammt sein, wenn sie ihn bat, es war ihr egal, ob ihr Ruf bei den »Kindern« litt.
    »Bevor du gehst«, sagte sie, »erzähl uns, wer Kennedy umgebracht hat.«
    Johnny zuckte ausnahmsweise ratlos mit den Schultern.
    »Vielleicht waren es die Sowjets?«, schlug der Neue vor; er versuchte seinen Platz bei ihnen zu behaupten.
    »Das ist Unsinn«, sagte Johnny. »Die sowjetischen Genossen sind für Terrorismus nicht zu haben.«
    Der arme James war beschämt.
    »Vielleicht war es Castro?«, sagte Jill. Schon starrte Johnny sie kalt an. »Ich meine, die Schweinebucht, ich meine …«
    »Der ist für Terrorismus auch nicht zu haben«, widersprach Johnny.
    »Ruf mich doch an, bevor du fährst«, sagte Frances. »In ein paar Tagen, hast du gesagt?«
    Aber er ging immer noch nicht.
    »Das war ein Irrer«, sagte Rose. »Ein Irrer hat ihn erschossen.«
    »Und wer hat den Irren bezahlt?«, fragte James, der sich wieder erholt hatte. Vor lauter Anstrengung, sich durchzusetzen, war er rot angelaufen.
    »Wir können die CIA nicht ausschließen«, sagte Johnny.
    »Die können wir nie ausschließen.« Mit seiner Bemerkung erntete James Anerkennung von Johnny, der lächelte und nickte. James war ein fülliger junger Mann, wahrscheinlich älter als Rose, älter als alle, bis auf Andrew vielleicht. Rose sah, dass Frances James prüfend betrachtete, und reagierte sofort: Sie war immer auf der Hut vor Kritik. Sie sagte: »James interessiert sich für Politik. Er ist der Freund meines älteren Bruders. Er hat die Schule abgebrochen.«
    »Da bin ich aber platt«, sagte Frances. »So eine Überraschung.«
    »Wie
meinst
du das?« Rose war verzweifelt und wütend. »Wieso hast du das gesagt?«
    »Ach, Rose, das war nur ein Witz.«
    »Sie macht nur Witze«, sagte Andrew, als müsste er für seine Mutter bürgen.
    »Apropos Witze«, sagte Frances. Als sie alle nach oben gerannt waren, um im Fernsehen die Nachrichten zu sehen, waren ihr zwei Tragetaschen voller Bücher aufgefallen, die auf dem Fußboden standen. Jetzt zeigte sie darauf und sagte zu Geoffrey, der ein stolzes Lächeln nicht unterdrücken konnte: »Eine gute Ausbeute heute, wie ich sehe?«
    Alle lachten. Während die anderen gelegentlich und aus einem spontanen Impuls heraus etwas mitgehen ließen, machte Geoffrey das mit System. Er streifte regelmäßig durch die Buchläden und klaute. Schulbücher, wenn möglich, aber auch alles andere, was er erwischen konnte. Er nannte es »befreien«. Das war ein Witz aus dem Zweiten Weltkrieg und eine wehmütige Verbindung zu seinem Vater, der Bomberpilot gewesen war. Geoffrey hatte Colin erzählt, seiner Meinung nach habe sein Vater seit dem Ende des Krieges nichts mehr bewusst wahrgenommen. »Meine Mutter und mich jedenfalls nicht.« Sein Vater hätte in diesem Krieg ebenso gut sterben können, so hilfreich, wie er für seine Familie sei. »Willkommen im Club«, hatte Colin gesagt. »Krieg, Revolution, was ist der Unterschied?«
    »Gott segne Foyle’s«, sagte Geoffrey. »Da habe ich mehr befreit als irgendwo sonst in London. Ein Wohltäter

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