Ein süßes Abenteuer
gebügelt, aber hier auf dem Empfang würde sich das bestimmt nicht schicken. Da begann dieser Dummkopf doch tatsächlich, mir zu erklären, was diese Redewendung bedeutet, als ob ich es nicht wüsste!”
“Dann brauche ich es Ihnen wohl auch nicht zu erklären”, sagte Neville, während er sich bemühte, eine fröhlichere Miene aufzusetzen.
Doch sie hatte bereits bemerkt, dass ihm irgendetwas große Sorgen bereitete. “Verzeihen Sie meinen albernen Scherz. Offensichtlich bedrückt Sie etwas.”
“Ja.” Wie konnte er ihr die Lage schildern, ohne sie zu belügen? “Ich stecke in einem moralischen Zwiespalt. Genauer gesagt gibt es ein Problem, das mich vor die Entscheidung stellt, ob ich unserem Fall weiterhin nachgehen soll.”
Vor Überraschung ließ Diana beinahe ihren Fächer fallen. “Nicht doch! Gerade jetzt, da wir erste Fortschritte machen! Worin besteht Ihr Problem, dass Sie so abrupt Ihre Einstellung ändern?”
“Da es nicht nur mich, sondern auch andere Personen betrifft, kann ich es Ihnen nicht sagen”, antwortete Neville voller Unbehagen. “Auf jeden Fall muss ich eine Nacht darüber schlafen.”
Noch nie zuvor hatte er so viele Lügen und Halbwahrheiten von sich gegeben wie in den vergangenen Wochen. In Wirklichkeit würde er keineswegs darüber schlafen, sondern gleich am folgenden Tag nach Surrey fahren und seine Mutter zur Rede stellen.
Selbst wenn Sir Carlton nicht sein Vater war, würde sich an seiner gesellschaftlichen Stellung nichts ändern. Vor dem Gesetz galt jedes Kind einer verheirateten Frau, die mit ihrem Gatten zusammenlebte, als das Kind des Gemahls, auch wenn ein anderer Mann es gezeugt hatte. Aber er musste es einfach wissen, sonst würde er niemals zur Ruhe kommen.
Erst dann würde er eine Entscheidung treffen.
Diana sah ihm fest ins Gesicht. “Geht es um etwas, das Sir Stanford zu Ihnen gesagt hat?”, erkundigte sie sich.
“Woher wissen Sie das?”, rief Neville verblüfft.
“Während Henry Latimer sich bei mir einzuschmeicheln versuchte, beobachtete ich, dass Sir Stanford mit Ihnen sprach. Allein das fand ich erstaunlich, wenn man bedenkt, welchen Verdacht wir gegen ihn hegen. Und unmittelbar danach sagen Sie mir, dass Sie unseren Fall unter Umständen aufgeben müssen. Daraus schließe ich, dass Ihre Bedenken mit ihm zusammenhängen.”
Wenn er jetzt log, würde sie ihm niemals verzeihen. “Ich will Ihnen nichts vormachen. In der Tat, er hat gewisse Andeutungen fallen lassen, aber mehr kann ich im Augenblick nicht verraten.”
Ohne Rücksicht auf ihre Umgebung neigte er sich vor, nahm ihre Hand und sah ihr tief in die Augen. “Glauben Sie mir, wenn ich Sie einweihen könnte, würde ich es tun. Bald werde ich Ihnen alles erzählen. Und was unsere gemeinsame Sache betrifft, so brauche ich noch etwas Zeit für meine Entscheidung. Wollen Sie mir vertrauen, Diana, so wie ich Ihnen vertraue?”
Sein intensiver Blick und die Traurigkeit in seiner Miene berührten Diana so tief, dass auch sie völlig vergaß, wo sie sich befanden. Dabei wusste sie wohl, dass sie in der Öffentlichkeit nicht zeigen durften, wie nahe sie einander standen.
Ehe Neville ihre Hand losließ, drehte er sie um und hauchte einen Kuss auf die Innenfläche. Plötzlich durchfuhr sie beide ein prickelnder Schauer.
“Ich sollte jetzt lieber gehen”, murmelte er. “Erstens haben wir die umstehenden Gäste lange genug unterhalten, und zweitens muss ich morgen früh verreisen. Nach meiner Rückkehr werden wir uns sprechen.”
“
Bon voyage.”
Beim Hinausgehen mied er Lord Burnside mit Absicht, denn wegen Sir Stanfords Enthüllung fühlte er sich außerstande, sich mit ihm zu unterhalten. Je früher er von seiner Mutter die Wahrheit erfuhr, desto besser, alles Weitere würde er fürs Erste aufschieben. Schlimm genug, dass er Diana mit Ausflüchten abspeisen musste – das störte ihn an dieser ganzen elenden Geschichte am meisten.
10. KAPITEL
“W ie bitte? Mein Sohn wartet im Blauen Salon auf mich? Ganz sicher? Das sieht ihm gar nicht ähnlich, sonst kündigt er seinen Besuch immer an.”
“Ganz sicher, Mylady. Er möchte Sie umgehend sprechen, da er wegen dringender Geschäfte bald wieder nach London zurückfahren muss”, antwortete der Butler.
Nevilles Mutter und ihre verwitwete Schwester, Susan Harrow, kamen gerade von einem Nachmittagsbesuch bei Nachbarn zurück. Äußerlich ähnelten die beiden Schwestern einander kaum. Im Gegensatz zu der rundlichen, stets heiteren und
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