Ein süßes Abenteuer
Er genoss jede Sekunde, die er in ihrer Gesellschaft verbrachte, obwohl es ihm zunehmend schwerfiel, seine leidenschaftlichen Gefühle für sie zu verbergen. Sie dagegen scherzte ganz unbefangen mit ihm, wie immer, sodass er nicht beurteilen konnte, ob sie dasselbe für ihn empfand wie er für sie.
Vielleicht lag ihr bloß die Rettung der vermissten Dienstmädchen am Herzen und nicht seine Person. An der Art und Weise, wie sie über ihren verstorbenen Gatten sprach, erkannte er, dass sie diesen sehr geliebt hatte.
Als sie sich schließlich voneinander verabschiedeten, bedauerte Diana die Trennung ebenso sehr wie Neville, auch wenn niemand es ihr angesehen hätte – am allerwenigsten Neville.
“Morgen werde ich Jackson von Wellingtons Warnung erzählen”, versicherte er ihr, kurz bevor sie ihre Kutsche erreichten. Galant half er ihr hinein, wobei ihm Isabellas missbilligender Blick keineswegs entging. Sie würde Diana die Leviten lesen, weil sie ihm so viel Zeit gewidmet hatte, das wusste er genau. Dennoch verabschiedete er sich freundlich von der Gesellschafterin.
In der Tat bemerkte Isabella gleich nach seinem Abgang: “Musstest du unbedingt so lange mit ihm spazieren gehen? Du kannst dir doch denken, dass ihr euch damit ins Gerede bringt.”
“Tatsächlich?”, meinte Diana unschuldig. “Warum denn? Weil der Duke of Wellington sich mit uns unterhalten hat?”
“Du weißt ganz genau, was ich meine”, schnaubte Isabella.
“Nein, eben nicht. Und selbst wenn ich es wüsste – ich habe mein Leben nie von boshaftem Klatsch bestimmen lassen. Das hat Charles mich gelehrt.”
Dagegen konnte Isabella nichts einwenden, schließlich durfte sie sich keine Kritik an Dianas Gatten, einem Herzog von makellosem Ruf, erlauben. Dafür drückte ihre Miene umso deutlicher aus, wie sehr sie unter der Undankbarkeit ihres Schützlings litt.
Im Nachhinein fragte sich Neville, ob seine stark gekürzte Wiedergabe der Ereignisse von vergangener Nacht Diana wirklich überzeugt hatte. Aus Erfahrung wusste er, dass sie sich nicht so ohne Weiteres belügen ließ. Aber er wollte sie unter allen Umständen vor den Schurken beschützen, die sie bekämpften.
An diesem Abend war er zu einem Empfang in der Stadtresidenz der Templestowes eingeladen. Da Harriet Templestowe zu den wenigen Damen gehörte, die er für ihre Intelligenz bewunderte, hatte er die Einladung angenommen. In gewisser Weise erinnerte Harriet – oder Harry, wie sie seit jeher genannt wurde – ihn an Diana, auf jeden Fall teilten die beiden viele gute Eigenschaften. Außerdem hielten die Templestowes im Gegensatz zu manch anderen vornehmen Familien trotz seines Skandals zu ihm. Also freute er sich auf den bevorstehenden Abend, obgleich er sich bezüglich Dianas ein wenig Sorgen machte. Wenn ihr bei näherem Nachdenken der Verdacht kam, dass er sie angeschwindelt hatte, würde sie ihm gehörig die Meinung sagen.
Bei dem Empfang herrschte ein ungewöhnliches Gedränge. Die Templestowes luden immer eine bunt gemischte Gästeschar ein, sodass neben verschiedenen einflussreichen Persönlichkeiten wie etwa Wellington, Lord Burnside und Sir Stanford Markham auch eine große Zahl von Dichtern, aufstrebenden Schriftstellern, Künstlern und Naturphilosophen erschienen. Glücklicherweise nahmen viele der Herrschaften, die Nevilles angeblichen Fehltritt am strengsten verurteilten, nicht an dem Anlass teil.
“Wir freuen uns ja so, dass Sie kommen konnten”, begrüßte ihn Harriet Templestowe, als er ihr seine Aufwartung machte. Später raunte ihr Mann ihm zu: “Kümmern Sie sich nicht um die dummen Emporkömmlinge, die sich einbilden, sie hätten in der Gesellschaft das Sagen. Ich kenne Sie, Fortescue, und ich würde Ihnen bedenkenlos meine Ehre und mein Leben anvertrauen.”
“Viele Leute haben nur darauf gewartet, dass ich mich genau wie mein Vater ins Unglück stürze”, meinte Neville lächelnd. “Nun können sie behaupten, sie hätten meinen Untergang lange im Voraus kommen sehen. Glauben Sie mir, ich habe nichts Schlechtes oder Unehrenhaftes getan, auch wenn es im Augenblick so scheint.”
Bildete er es sich nur ein, oder warf Templestowe ihm einen sonderbaren Blick zu? Wahrscheinlich Ersteres, denn im nächsten Augenblick begann er darüber zu sprechen, wie verheerend das schlechte Wetter der vergangenen zwei Jahre sich auf die Landwirtschaft auswirkte.
Zuerst verlief der Abend sehr erfolgreich, abgesehen von der Tatsache, dass Diana von ihren zahlreichen
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