Ein sueßes Stueck vom Glueck
Fritten. Als sie nach London flog, versuchte dort jeder bei Devon Candy, sie mit Devon-Riegeln und Fish and Chips zu füttern.
Sie ließ sich von den Sekretärinnen Obst, Salat und Vollkornprodukte bringen und ignorierte das Junkfood weitestgehend. Stattdessen hatte sie immer eine Schachtel von Sylvains Pralinen bei sich, und ab und an, wann immer sie das Bedürfnis hatte, ihn ein wenig bei sich zu haben (so etwa alle fünfzehn Minuten), aß sie eine.
Jeder Bissen gab ihr ein warmes Gefühl voller Süße und der Hoffnung, sie könne sich einen Weg durch all das bahnen. Durch die Geschäftsfusion, durch Total Foods, durch all ihre Verpflichtungen und die Tatsache, dass ein Teil von ihr sich dafür begeisterte, durch das, was sie sich vom Leben wünschte, zurück zu ihm.
Aber sie wusste nicht, was sie ihm sagen sollte. Wenn sie sich gedanklich von den Diskussionen mit den Firenze-Brüdern und Devon Candy zurückzog und auf ihr Telefon blickte, fiel ihr nicht ein, warum sie anrufen oder was sie sagen, texten, mailen oder was auch immer sollte. »Wirklich?« Das erschien ihr ein riskanter Einstieg zu sein. »Bist du sicher?« Nun, wie sollte er sich sicher sein, wo sie sich doch erst wenige Tage kannten? Lag überhaupt eine Sicherheit in Worten wie »Ich glaube, ich liebe dich«? Vielleicht also lieber: »Wie meinst du das?«
Das schien als Frage zu brutal fürs Telefon. Und natürlich bestand auch noch die Möglichkeit, dass er immer noch sauer auf sie war. Seit sie abgereist war, hatte er ihr per SMS ein Wort geschickt, ein Wort, dass sie im TGV nach Brüssel erreicht hatte: Oui.
Sie nahm an, das war die Antwort auf ihre letzte Frage: Ja, ich habe auch versucht zu bekommen, was ich haben wollte.
Das konnte ein wütendes Oui sein oder ein Lass-uns-überden-Streit-nicht-den-Kontakt-verlieren- Oui , ein Friedensangebots- Oui . Das ließ sich bei einer SMS schwer sagen. Letztendlich konnte sie ihn also gar nicht anrufen. Sie war sich ziemlich sicher, dass es ein großer Fehler wäre. Und so versuchte sie es dann doch mit einer Eröffnung, die ein wenig ungelenk war, sich aber bewährt hatte: »Hi.«
Sie hörte ihn scharf einatmen. »Cade.«
Sie schmolz dahin bei der Art, wie er ihren Namen sagte, das präzise französische A, das ihren Namen nur halb so lang machte, wie im Englischen. Augenblicklich hatte sie keine Angst mehr, er könnte noch wütend sein. Sie legte ihre Füße auf ein Kissen und ließ ihren Kopf auf ein anderes sinken. Ihre Füße schmerzten, ihr Hirn war erschöpft. Sie wünschte sich sehnlichst drei verschiedene und sich gegenseitig ausschließende Dinge: zu schlafen, einen ganz langen Spaziergang zu machen, um den Kopf klar zu bekommen, und sich hier einzukuscheln, um mit Sylvain zu reden.
»Ich esse eine von deinen Pralinen.« Die kegelförmige mit den am flachen Ende aufgestreuten Schokosplittern, die, die er seine Anspielung auf das kindliche Vergnügen an einer Eiswaffel genannt hatte. Nur dass gar nichts Kindliches daran war, es gab – Splitter statt Erdnüssen und eine dicke, dunkle Außenwand, die eine seiner seidigen, fast schon flüssigen Füllungen enthielt. Sie musste sie vorsichtig essen, damit sie ihr nicht über die Hände lief, sie musste hineinbeißen und das Innere heraussaugen, so wie sie es jetzt gerade tat. So wie es ein Kind mit einer Eiswaffel machte.
»Ah.« Seine Stimme war nur ein Hauch, ein Flüstern in ihrem Ohr. Vielleicht hatte sie ihn geweckt. Es war spät. Womöglich lag er jetzt in seinem Bett, nackt bis auf die Unterhose, seine Schultern mattglänzend und muskulös zwischen den weißen Laken. Hatte er sein Handy immer in Reichweite, in der Hoffnung, sie könnte anrufen? War auch er nicht länger wütend, in dem Moment, in dem sie anrief? »Ist sie gut?«, murmelte er, und zwischen ihnen entstand eine warme sinnliche Stimmung, auch über die Entfernung hinweg.
»Sie sind immer gut«, flüsterte sie.
An seinem Ende war ein kleines Geräusch zu hören, dem man ein Lächeln anhörte. »Welche isst du gerade?«
»Das cornet de ganache .«
»Ah.« Seine Stimme war nur ein gehauchtes Raunen. Selbst durchs Telefon streichelte der Klang ihre Haut. Sie hatte das Gefühl, dass er sich mit äußerster Genauigkeit jedes Arom und jede Empfindung auf ihrer Zunge vorstellte. Er kannte den zarten, süßen Schmelz. Er kannte das sachte Saugen ihrer Lippen, damit die Ganache nicht über ihre Finger kleckerte. Er kannte den Schokoladenabdruck auf ihrem Daumen und die Art und
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