Ein sueßes Stueck vom Glueck
War sie hier gewesen, die Diebin?
Er sollte die Hoffnung besser noch nicht aufgeben. Die Hoffnung? Hoffte er etwa, dass diese ungemein arrogante Frau in seine Manufaktur eingebrochen war und seine Schokolade gestohlen hatte?
Sie war hier gewesen, dass bemerkte er beinahe sofort. Die Marmorflächen, die am Ende des Tages immer glänzend sauber hinterlassen wurden, waren mit Fingerabdrücken beschmiert. Er konnte ihren Spuren förmlich durch den Raum folgen. Hier hatte sie die kandierten Orangen aus Spanien gekostet. Hier hatte sie sich mit den Schokoladen- pistoles befasst. Hier hatte sie …
Sie hatte von jeder Sorte Pralinen, die sie am Vortag hergestellt hatten, mindestens eine genommen.
Sylvain grinste, sein Herz pochte. Sie konnte wohl nicht genug von ihm bekommen, was?
Er hielt inne, als er die Einzelteile eines Wasserbades fand, die zum Abtropfen und Trocknen im Spülbecken standen. Hatte sie in seiner Manufaktur Schokolade hergestellt? Wie unverfroren war diese Diebin eigentlich?
»Na, war sie wieder da?«, fragte Christophe kurz vor dem Mittagessen neugierig.
Sylvain, der gerade dabei war, einen marmite , einen dreißig Kilo schweren Kochtopf mit Schokolade, auf die Feuerstelle zu hieven, spielte mit dem Gedanken, diesen dem Mann auf die Zehen fallen zu lassen. Er hatte dem Blogger einmal einen Gefallen getan, als er ihm auf sein Betteln hin gestattet hatte, das Laboratoire zu sehen, und jetzt glaubte dieser Mensch offensichtlich, sie seien beste Kumpel. Meinte er wirklich, einfach herkommen und neugierige Fragen nach der Diebin stellen zu können?
»Sie war hier, oder?«, sagte Christophe erfreut. Seine Brust weitete sich sichtbar vor Begeisterung.
So wie die von Sylvain heute Morgen. Er setzte den riesigen Topf mit Schokolade ab, um der Versuchung nicht nachzugeben.
»Was hat sie mitgenommen? Wissen Sie, wer sie ist? Wissen Sie, wie sie hereingekommen ist?«
»Jemand stiehlt Schokolade?« Pascal Guyot tauchte hinter Sylvains Rücken auf. Pascal war kein Blog-Leser. Mit gedämpfter Stimme fügte er hinzu: »Glaubst du, es ist jemand, der hier arbeitet? Auf der Platte im Aufenthaltsraum der Angestellten steht doch immer genug davon.«
»Oh.« Christophe sah enttäuscht aus. »Wirklich? Glauben Sie, es handelt sich um jemanden aus dem inneren Kreis?«
»C’est possible« , sagte Sylvain langsam. »Eine der Assistentinnen vielleicht. Es war ein kleiner Fingerabdruck. Das ergibt mehr Sinn als die Vorstellung, dass jemand von außen es riskiert, wegen meiner Schokolade hier einzusteigen.« Es ergab wirklich mehr Sinn. Sofern man es mit jemandem zu tun hatte, der sich vernünftig benahm.
Sein Herz schlug wieder schneller, und sein Körper war angespannt, als er sich vorstellte, dass die Diebin seinetwegen den Verstand verlor.
Wegen seiner Pralinen.
Könnte doch sein.
»Wissen Sie was«, sagte Christophe. »Sie haben Ihre Vermutung, und ich meine. Sagen Sie mir nur eines – war sie heute Nacht wieder da? Für Oui können Sie einmal blinzeln, für Non zweimal.«
Sylvain blinzelte einmal, aber nur wegen der Unverschämtheit des Mannes, ihn zu einer Antwort drängen zu wollen.
»Oh, war sie!« Christophe klatschte vor Begeisterung in die Hände. »Sie haben mir das Leben gerettet, Sylvain Marquis. Merci, merci .« Er stürmte hinaus.
Ein paar Sekunden später kam er zurückgesaust. »Sie haben hier nicht zufällig W-LAN?«
Sylvain sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an, in ihm brodelte es jetzt. Wenn der Mann weiterhin öffentlich über seine pubertären Fantasien Tagebuch führen wollte, konnte er doch wenigstens so viel Anstand besitzen, andere Fantasien zu hegen als Sylvain.
»Nein, leider nicht. Aber ich bin sicher, dass Sie im Café die Straße runter fündig werden.«
Christophe wirbelte aus dem Laboratoire und voller Aufregung durch den Laden. Sylvain sah, wie er auf seinem Weg nach draußen eine Schachtel Pralinen kaufte.
»Voleuse de Chocolat, je t’aime« , verkündete Christophes Überschrift. »Wie ich hier so sitze und langsam in die zarte Hülle eines Caraque, eines gefüllten Schokoladentäfelchens, von Sylvain Marquis beiße, wird mir beim leisen Knacken und der sahnig cremigen Ganache darin klar, dass ich eine verwandte Seele gefunden habe. Auch du würdest Freiheit und Leben riskieren, um …«
Nun, vielleicht nicht gerade das Leben, dachte Cade unbehaglich. Die französische Polizei war nicht dafür bekannt, mit Feuerbeschuss anzurücken, oder? Und was die Freiheit
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