Ein sueßes Versprechen
beschlossen, einen Spaziergang übers Deck zu unternehmen, und Hassan entschied sich, sie zu begleiten.
Esme nahm auf einem der bequemen Lehnstühle Platz.
Loretta ließ sich rasch in einen anderen sinken und beachtete Rafe nicht weiter, der im Raum stand, sondern richtete ihren Blick auf Esme und runzelte leicht besorgt die Stirn.
»Mir ist eingefallen, dass das hier das letzte Teilstück der Reise ist – bald werden wir wieder zurück in England sein. Und in meinem Fall heißt das, zurück in London.«
Esme hob eine Braue.
»Ich frage mich nun, unter den gegebenen Umständen, was mich bei meiner Rückkehr erwarten mag. Was ich vorfinden werde in Bezug auf das, was ursprünglich dafür verantwortlich war, dass die Möglichkeit, dich auf dieser Reise zu begleiten, so begehrenswert für mich war. Wie es mit meiner gesellschaftlichen Position bestellt sein wird.« Sie konnte in Esmes Augen lesen, dass sie verstand, worauf sie hinauswollte. »Hast du irgendetwas gehört?«
Esme verzog das Gesicht.
»Das habe ich … in einem Brief von Therese Osbaldestone, der mich in Triest erreicht hat. Aber es ist nichts anderes, als du erwarten darfst, Liebes. Bedenkt man, was alles vorgefallen ist und dass du nächstes Jahr fünfundzwanzig wirst, hast du nun den Punkt erreicht, an dem man von dir erwartet, dass du deine Wahl unter den zur Verfügung stehenden Angeboten treffen musst, die, soweit ich es verstanden habe, zur Debatte stehen. Es ist wohl eine Art Liste.«
»Eine Liste?« Damit hatte sie nicht gerechnet. »Mit möglichen Kandidaten?« Rafe hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Er hörte aufmerksam zu.
Esme nickte.
»Allerdings. Und ich will nicht um den heißen Brei herumreden – wie Therese übrigens auch nicht –, du wirst, wenn notwendig auch gezwungenermaßen, deine Wahl aus dieser Liste treffen müssen.« Wieder verzog sie das Gesicht. »Wenn man Therese Glauben schenken kann, wird diese Liste täglich länger, und es werden bereits Wetten darauf abgeschlossen, wer deine Hand am Ende erringen wird.«
Es war nicht schwer, entsetzt auszusehen.
»Aber …«
»Kein Aber.« Esme hob mahnend einen Finger. »Sobald du einen Fuß nach London hineinsetzt, wirst du unter Roberts Dach zurückkehren und unter seinen Schutz. Dann wird man dir die Liste vorlegen, und du musst dich entscheiden.«
Loretta starrte sie an. Das war wesentlich schlimmer als alles, was sie sich vorgestellt hatte.
Rafe, der nicht weit von der Tür stand, machte eine Bewegung. Als Loretta und Esme zu ihm schauten, sagte er:
»Ich werde einen Rundgang übers Deck machen, ehe ich mich für die Nacht zurückziehe. Die Mannschaft übernimmt die Nachtwachen an meiner und Hassans Stelle, daher wird jemand die ganze Nacht über an Deck sein und aufpassen.« Aber nicht er.
Nur für den Fall, dass Loretta mit dem Gedanken spielte, ihn nachher dort zu suchen.
Lächelnd winkte Esme ab.
»Danke, lieber Junge. Schlafen Sie gut.«
Im Umdrehen fing er Lorettas Blick auf, dann neigte er den Kopf und verließ den Raum. Er ging zur Kajütentreppe nach oben und war nicht sicher, was er von dem Gehörten halten sollte.
Wie verzweifelt war Lorettas Lage in Bezug auf das Heiraten wirklich?
Hatte er sich getäuscht oder hatte in ihren Augen wirklich Entsetzen und Überraschung gestanden?
Wenn nämlich …
Er war sich sicher gewesen, er wüsste, was das Richtige sei … für sie, für ihn. Jetzt jedoch war er sich da gar nicht mehr so sicher.
Rafes Schritte verklangen, und Loretta, die wieder ihre Großtante anschaute, fühlte sich genötigt zu fragen:
»Gibt es wirklich eine Liste?«
Esme riss ihre Augen weit auf.
»Nun, du hast gefragt, Liebes. Und ich glaube nicht, dass die liebe Therese eine Liste und Wetten einfach erfinden würde.«
»Nein.« Echte Verblüffung hielt sie in ihrem Griff. »Ich hatte keine Ahnung, dass es so schlimm werden würde.«
»Wie ich dir schon bis zum Überfluss gepredigt habe, du bist eine Michelmarsh. Die Frauen aus unserer Familie gelten als begehrenswerte Ehefrauen. Dazu kommt in deinem Fall noch, dass du zwar keine große Erbin bist, aber dennoch sehr hübsch versorgt.« Esme betrachtete sie, dann fügte sie hinzu: »Und du solltest nicht vergessen, dass die Worte, die man meist mit jungen Damen unserer Familie in Verbindung bringt, kühn und leidenschaftlich sind. Für die meisten Herren besitzen diese Worte eine zusätzliche Bedeutung, die die gesellschaftliche Ebene übersteigen.«
Loretta runzelte
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