Ein sueßes Versprechen
Julius an.
»Ich dachte, wir machen keinen Halt?«
»Das tun wir auch nicht, aber ich muss weit ausholen, um die nächste Flusskehre problemlos nehmen zu können – es ist fast ein … wie sagt man das auf Englisch? Knick?«
Loretta versuchte nach vorn heraus etwas zu erkennen, das Ufer, aber alles verschwand immer gleich wieder in den tief hängenden Nebelschwaden.
Als schließlich das hinter ihnen lag, was laut Julius die längste Kehre entlang des gesamten Rheins war, gesellte sich Rafe zu ihnen, und dann hoben sich die Dunstschwaden und wurden von einer steifen Brise davongeweht.
Obwohl Rafe stehen blieb, um ein paar Bemerkungen mit Julius zu wechseln, dem einzigen Mitglied der Mannschaft auf der Brücke in dem Augenblick, war sich Loretta dennoch seiner Nähe deutlich bewusst – des Blickes, den er ihr zuwarf, des Gewichts, das in jedem Herzschlag lag, in dem ihre Blicke verschlungen waren.
Dann sagte Julius etwas, und Rafe drehte sich zu ihm um.
Sie holte Luft, wartete, bis sich ihr übermütiges Herz wieder beruhigt hatte. Gütiger Himmel! Das hier war schlimmer als zuvor. Sie konnte einfach nicht begreifen, warum ihr letztes Intermezzo eine derartige Wirkung auf sie hatte – und auf ihn augenscheinlich auch. Als ob zwischen ihnen ein Schild gefallen sei, eine Barriere entfernt worden sei, sodass sie empfänglicher füreinander, für die Gefühle und Gedanken des anderen waren. Sich der Nähe des anderen deutlicher bewusst.
Es war beunruhigend … und wundervoll.
Schließlich ließ Rafe Julius stehen und kam zu ihr. Der Blick seiner blauen Augen hielt ihren einen Moment lang, und einmal mehr spürte sie überdeutlich das Klopfen ihres Herzens, dann schaute sie in den Reiseführer.
»Also …« Er lehnte sich neben ihr ans Fenster. »Was können wir erwarten, heute zu sehen?«
Sie antwortete ihm. Burg Lahneck tauchte bald rechts vor ihnen oberhalb des Ufers auf, aber das, was sie durch den Nebel erkennen konnten, war nicht wirklich beeindruckend. Bald jedoch, als sie sich Koblenz näherten, sahen sie ein wesentlich stärker ins Auge fallendes Gebäude über dem Fluss.
»Burg Stolzenfels«, erklärte Loretta. Als sie die Beschreibung der verschiedenen Mauern, Wehrgänge und Zinnen vorgelesen hatte, kamen sie Koblenz selbst immer näher.
Rafe stellte sich dichter zu ihr, sodass er über ihre Schulter in dem Reiseführer mitlesen konnte. Ihre Blicke trafen sich flüchtig, nur einen Augenblick lang, und ein herrlicher Schauer lief ihr über den Rücken, aber es war nicht so wie sonst immer. Dieses neue Gefühl deutete Nähe an, etwas Vertrauteres und Persönlicheres, etwas, das weder sie noch er zuvor mit einem anderen erlebt hatten.
Warum sie sich dessen so sicher war, wusste sie nicht, aber als sie tief Luft holte, den Kopf hob und blicklos auf Koblenz starrte – und Rafe das Gleiche tat –, war sie sich sicher, bis ins Herz hinein, dass das hier auch für ihn Neuland war.
Solche Nähe erfüllte sie mit Verwunderung und Staunen. Dieses nicht näher zu benennende Gefühl war in etwa so, wie vorsichtig auf ein großes und mutmaßlich gefährliches Raubtier zuzugehen, das nach ihrer Berührung süchtig war. Das eher scheu war als beunruhigt, ihren Absichten gegenüber argwöhnisch, aber willens war, es zu riskieren, um ihre Hand erneut zu spüren. Das zu erhalten, was seiner Seele guttat … ihre Lippen verzogen sich bei der Vorstellung. Sie richtete sich auf, aber der Vergleich, das spürte sie, war nicht völlig falsch.
Er warf einen Blick in den Reiseführer, dann zeigte er aus dem Fenster.
»Und das ist wohl die Befestigungsmauer.«
Sie las, nickte. Eine Minute später deutete sie mit dem Finger auf die Stadt.
»Diese Türme dort müssen zur Basilika St. Kastor gehören, und das Bauwerk dort drüben müsste die Florinskirche sein.«
So vertrieben sie sich die Zeit, während sie an Koblenz vorbeifuhren, und machten sich gegenseitig auf die Sehenswürdigkeiten aufmerksam.
»Und das dort« – Julius zeigte nach links – »ist die Mosel. Sie kennzeichnet die nördliche Grenze der Stadt.«
Rose und Hassan erschienen auf dem Vorderdeck, schauten sich um und entdeckten sie, dann kamen sie eilig zur Brücke.
»Reichlich frisch draußen«, bemerkte Rose und blies sich in die Hände, dabei spähte sie durch die Fenster. »Gibt es viel zu sehen?«
Sie nahmen ihren früheren Zeitvertreib wieder auf, spielten »Wer findet die Burg?«, wie Rose es nannte, dann zogen sie sich für ein frühes
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