Ein sueßes Versprechen
Mannschaft hatte er sich bereits verabschiedet; er hatte sie großzügig mit Trinkgeldern bedacht, weil er aufrichtig dankbar für die guten Dienste war, die sie ihnen geleistet hatten. Sobald die Gangway den Boden des Kais berührte, ging er sie hinab und erkundete rasch die unmittelbare Umgebung. Da er keinen Grund zur Sorge entdecken konnte, drehte er sich um, um Hassan zur Hand zu gehen und den Frauen an Land zu helfen.
Unfähig, es zu vermeiden, bot er Loretta seine Hand, um ihr beim Schritt von der leicht erhöhten Gangway behilflich zu sein. Er war sich nicht sicher, ob sie seine Hilfe abschlagen würde. Aber sie ergriff seine Finger, ließ sich von ihm stützen und ließ ihn dann sofort wieder los.
Was ihn mit der Erinnerung an kleine glatte Hände auf seiner Haut zurückließ.
Er hatte nicht gedacht, seine Anspannung könnte sich noch steigern. Er hatte sich geirrt.
Mit zusammengebissenen Zähnen wandte er seine Aufmerksamkeit ihrem Gepäck zu. Sobald alles auf einen Wagen geladen war, der von einem Kofferträger gezogen wurde, ging er mit Esme an seinem Arm vom Kai und durch das breite Tor in den Stadtmauern auf die Kopfsteinpflastergassen.
Es war nicht weit zu dem Gasthof zum Löwen, laut Esmes Stadtführer das beste Hotel der kleinen Stadt. Das Haus entpuppte sich als großes rechteckiges Gebäude aus solidem Steinmauerwerk, das seine Billigung fand.
Wie Esme vorausgesagt hatte, waren jetzt, da der Winter unmittelbar bevorstand, nur wenige andere Reisende unterwegs. Die Straßen boten wenig Deckung, aber dafür hatte er keine Schwierigkeiten, die besten Zimmer zu bekommen – eine Suite auf der Vorderseite für die Damen und eine angrenzende Kammer für ihre Zofen, und zu beiden Seiten Zimmer für Hassan und ihn.
»Wir sind entzückt, Sie in unserer Stadt begrüßen zu dürfen.« Der Wirt, ein freundlicher Mann mit rundem Bauch, verneigte sich tief vor Esme. »Was immer Sie wünschen, gnädige Frau, Sie müssen es nur sagen.«
Esme lächelte.
»Eine vorgezogene Mahlzeit, denke ich. Sobald wir Gelegenheit hatten, unser Gepäck zu ordnen.«
»Unser Speisesalon steht Ihnen jederzeit zur Verfügung. Wäre in einer halben Stunde genehm?«
Esme schaute zu Rafe, der nickte.
»Danke.« Der Wirt entfernte sich unter Verbeugungen und schloss dann die Tür. Esme sah wieder Rafe an. »Essen – und was dann?«
»Dann, während die Damen sich hier in Sicherheit ausruhen, gehe ich und besorge uns eine Kutsche.«
Das war sein Plan gewesen, aber Esme hatte, wie sich herausstellte, andere Pläne – und er konnte kaum Einspruch erheben.
Trotzdem versuchte er es.
Aber er verlor.
Eine halbe Stunde, nachdem sie erstaunlich schmackhafte Speisen zu sich genommen hatten, legte Rafe die kurze Strecke zu dem Mietstall zurück, den der Wirt empfohlen hatte – in Begleitung von Loretta.
Völlig steif von der Anstrengung, in keiner Weise offenkundig auf sie zu reagieren und nicht auf den Umstand zu achten, dass er sich ihrer verlockenden Nähe lästig überdeutlich bewusst war, geleitete er sie über den Gehsteig von Ulms Hauptstraße.
Obwohl sie es nicht vorgeschlagen hatte, war sie sogleich bei der Hand gewesen, Esmes Vorschlag zu unterstützen, dass er, wenn er sich auf die Straße wagte, Loretta mitnehmen sollte, um seine Rolle als Reisemarschall glaubhaft darzustellen. Allein würde er viel eher die Aufmerksamkeit etwa auf der Lauer liegender Sektenanhänger erregen.
Er hatte nicht mehr Zeit als absolut notwendig in ihrer Nähe verbringen wollen, solange der Vorfall aus der vergangenen Nacht, die Gefühle und Versuchungen noch so frisch in seiner Erinnerung waren. Er hatte vorgeschlagen, dass Rose oder Gibson ihn begleiten könnten, aber Esme hatte ihm beschieden, damit es überzeugend wirkte, müsse es Loretta sein – oder sie selbst. Sie müsse sich jedoch dringend ein wenig ausruhen.
Daher ging also Loretta an seinem Arm zu den offen stehenden Türen des Mietstalls. Zu seiner Überraschung schien sie ihre Missstimmung von zuvor abgelegt zu haben. Es gelang ihr ganz ausgezeichnet, den Anschein zu erwecken, als merke sie von etwaigen Unterströmungen nichts.
Er war entschlossen, ihr in nichts nachzustehen.
Sie traten ein und blieben stehen. Ein Bursche, der gerade an einer Kutsche arbeitete, sah sie, verbeugte sich und drehte sich dann um, um seinen Meister zu rufen.
Ein großer schwerer Mann kam aus der Sattelkammer.
»Guten Tag.« Rafes Deutsch war passabel, auch wenn es sich nicht mit Esmes
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