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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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blickte, um zu schauen, ob ihr Po gut aussah. Sie hatte sich ihn bei der Arbeit vorgestellt, rundum zufrieden.
    »Leckt mich doch alle am Arsch«, sagte sie, dann stürmte sie aus dem Büro in den Korridor.
    Leckt mich doch alle am Arsch? Du bist ja so reif, dachte sie und lehnte sich schwer atmend an die Wand. Wahrscheinlich guckten sie sich jetzt alle gegenseitig an. Womit hatten sie das verdient? Mit nichts.
    Sie machte sich auf den Weg zu den Toiletten. Nach ihrem Emotionsausbruch zuckten ihr die Augen, und sie konnte kaum in gerader Linie gehen. Ihr machte es Angst, so sehr die Gewalt über sich einzubüßen, so wütend zu sein, dass sie alles ringsum zerschlagen konnte, sich demütigte und die Menschen vertrieb, die ihr am nächsten standen. Ihre Wut war aus dem Nichts gekommen. Nun trat ihr die Demütigung in Form von Tränen in die Augen; sie suchte einen Weg aus ihr heraus und wollte ein wenig Verzweiflung wegspülen. Noch mehr verdammte Tränen. Rührselige feuchte Tränen, die ihr das Gesicht hinunterliefen, heute und jeden Tag, seit dieser Mistkerl ihr Max weggenommen hatte.
    Mit ihrem ganzen Gewicht warf sie sich gegen die schwere Holztür der Damentoilette, und sie öffnete sich viel zu leicht.Bryony stolperte und wäre beinahe in den Raum gestürzt, und dann war sie wütend auf die Tür, weil sie ihr fast einen Unfall eingebrockt hätte.
    Zum Glück war niemand im Waschraum. Jeder ihrer Schritte hallte von den Wänden wider. Sie beugte sich über die teuer aussehenden Waschbecken und starrte auf ihr Spiegelbild. In ihren Augen war eine gewisse Wildheit, die ihr Angst machte. Das Gesicht, das sie aus dem Spiegel anstarrte, schien einer Fremden zu gehören, und Bryony wandte den Blick nicht ab, sondern versuchte, die Frau im Spiegel zu begreifen, der sie in letzter Zeit immer öfter begegnete.
    Sie musste gut zehn Minuten dort gestanden und sich angestarrt hatten, als die Klinke der Tür zum Gang sich langsam bewegte und dabei leicht quietschte.
    Bryony zuckte zusammen.
    »Bryony? Darf ich hereinkommen?«, hörte sie Noras freundliche Stimme. Die Tür war einen engen Spalt geöffnet, und Bryony erkannte ihr schmales Gesicht; sie war klug genug, sich nicht mit Leib und Leben zu exponieren. Ihre Augen zuckten hin und her.
    »Ja, sicher darfst du das«, erwiderte Bryony, nahm die Hände vom feudalen Marmorwaschbecken und blickte auf ihre Handflächen. Die harten Kanten des Beckens zeichneten sich darauf ab, nachdem sie sich so sehr daran festgehalten hatte.
    Nora kam leise herein, schloss die Tür hinter sich und verriegelte sie langsam.
    Bryonys Wut war mittlerweile zu etwas anderem zusammengeschmolzen: Erschöpfung und Traurigkeit. Sie konnte Nora kaum in die Augen sehen; sie schämte sich zu sehr. Nora war nicht daran schuld, dass es ihr so schlecht ging.
    Nora hatte sich zur Arbeit ein hellblaues Trägerkleid angezogen, das ihren Augen schmeichelte, und umklammerte ihrebraune Lederhandtasche wie eine Rettungsdecke. Sie ist so niedlich, dachte Bryony.
    »Bryony, ich mache mir richtig Sorgen um dich«, sagte Nora und ließ die Tasche aus ihren Fingern gleiten und mit einem leisen Rumms neben ihren Füßen landen.
    Fast war es, als wäre die weiche, nervöse Pfote einer Maus irgendwo in der gewundenen Welt unter den Bodenbrettern auf eine Falle getreten. Bryony spürte noch stärker die Tränen in den Augen, spürte einen nahenden Weinkrampf, der, einmal begonnen, nie enden würde. Das ist so peinlich. Sie begann im Raum herumzutigern und fuhr sich dabei durch das lange Haar. Ihr war, als gebe es keinen Ausweg. Die Eingangstür des Waschraums war verriegelt, und sie saß in der Falle.
    Bryony kannte Nora   – und sie mochte sie sehr –, aber für so etwas kannte sie sie nicht gut genug. Ihr Kontakt ging nicht über die Katastrophe bei der gemeinsamen Organisation eines Mittagsimbisses für den Vorstand hinaus, wo sie bei der Auswahl des Caterers versagt hatten und panikerfüllt zusammen in einer Schlange bei Pret A Manger anstanden, um schnell etwas zu beschaffen.
    »Es tut mir so leid«, sagte Bryony unter Tränen. Sie konnte Nora noch immer nicht in die Augen sehen. »Ich weiß einfach nicht, weshalb ich mich so aufgeführt habe   – mir ist einfach alles zu viel.« Ihr tat ernsthaft leid, was sie getan hatte, und sie wusste nicht, wie sie ihren Bürokollegen nun wieder gegenübertreten sollte. Was, wenn sie mich jetzt rausschmeißen?, dachte sie.
    Nora musterte Bryony eingehend. Sie hatte Tränen

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