Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
Vom Netzwerk:
die Augen, als ihr die Absurdität dieses Moments bewusst wurde. Sie hätte sich niemals vorgestellt, dass sie eines Tages eine junge Witwe sein könnte, die mit einer Kerze sprach. Doch niemand sah sie und konnte sie auslachen, und deshalb konnte sie tun und sagen, was sie wollte.
    Die Flamme flackerte leicht, und ihr Herz begann zu rasen, doch dann wurde ihr klar, dass es an dem leichten Zug durch das Fenster lag, das sie offen gelassen hatte.
    »Bitte, Max. Bitte. Ich brauche dich. Du musst größer sein als das, größer als der Tod. Du kannst alles tun, das konntest du immer   …«, sagte sie mit rauer Stimme. Große Tränen fielen ihr aus den Augen und landeten mit leisem Klatschen auf dem Boden.
    Sie wollte es glauben. In Filmen geschahen solche Dinge   – die Kerze ginge aus, und das Mädchen würde mit einem gelösten Lächeln im Gesicht auf dem Sofa einschlafen, weil ihr toter Freund ihr gesagt hatte: »Mit mir ist alles okay.« Und irgendwie wäre danach alles wieder gut.
    »Ich zähle jetzt ab, Max, das ist deine letzte Chance. Fünf   … vier   … drei   … zwei   …«
    Miep!
    Bryony fuhr zusammen und saß kerzengerade auf der Couch. Sie war stocksteif. Die Kerze brannte weiter.
    Miep! Miiiiep!
    Sie stand langsam auf und schlurfte zur Gegensprechanlage. Sie fürchtete sich, wenn es unerwartet an der Tür klingelte. Freunde und Familie riefen aus diesem Grund immer an, bevor sie Bryony besuchten. Sie ließ sich Pakete sogar ins Büro liefern, und wenn sie eine Pizza gebracht bekam, wartete sie an der Haustür, nur damit sie nicht dieses Geräusch hören musste.
    Manchmal fragte sie sich, ob Max vielleicht noch leben würde, wenn das durchdringende Geräusch nicht in jener schrecklichen Nacht ihr Leben derart unterbrochen hätte.
    Miiiiep!
    Miiiiiieeeep!
    »Okay, okay, ich komme ja schon«, knurrte sie und drückte den Knopf. »Wer ist da?«, sprach sie in den Apparat, der in die Wand eingebaut war. Sie schaltete das Flurlicht an, weil die Dunkelheit ihr ein wenig Angst machte.
    »Hallo, äh   … hören Sie, es klingt ein bisschen merkwürdig, aber ich heiße Sara und wohne ein paar Häuser weiter. Ich suche nach einer Bryony. Sind Sie Bryony Weaver?«
    Bryony atmete tief durch und fragte sich, ob sie lügen und dieFrau, wer immer sie war, wegschicken sollte. Eine innere Stimme riet ihr jedoch davon ab. »Ja, bin ich. Ich glaube aber nicht, dass ich Ihnen helfen kann«, sagte sie durch die knisternde Leitung, der einzigen Verbindung zwischen ihr und der merkwürdigen Frau, die draußen vor der Tür stand.
    »Hören Sie mich bitte nur kurz an?«, fragte die Frau. Sie klang verzweifelt.
    Bryony seufzte. »Klar. Was gibt’s?«
    »Bryony, ich habe Post, die für Sie bestimmt ist. Es sind nur ein paar Briefe. Sie lagen in meinem Briefkasten. Unsere Adressen sind ähnlich   – bei der Schrift sieht die Drei aus wie eine Acht, und ich vermute, dass sie deshalb immer bei mir eingeworfen wurde. Es steht nicht einmal ein Name darauf, nur die Adresse, deshalb habe ich einen geöffnet. Das tut mir sehr leid   …«
    Bryony schluckte, ehe sie antwortete, und atmete noch einmal tief durch. Diese Störung an ihrem stillen Abend verärgerte sie. »Wahrscheinlich ist es nur so ein Katalogzeug«, sagte sie in der Hoffnung, das Gespräch schnell abzuschließen. Ihre Kontoauszüge verwaltete sie im Internet, ihre Telefonrechnung auch, und ihre Freundinnen setzten garantiert keinen Stift mehr auf Papier. Und was konnte so wichtig sein, wenn nicht einmal ihr Name daraufstand? »Danke, dass Sie mir Bescheid sagen«, fuhr sie fort, »aber denken Sie sich nichts dabei. Werfen Sie es einfach weg.«
    »Nein, nein, es ist keine Werbepost. Ich verspreche es Ihnen.« Die Frau klang so nervös, dass ihre Stimme schwankte, als stände sie in der Eiseskälte. »Ich möchte nicht sagen, von wem sie sind, na ja, nicht so   …« Ihre Stimme versiegte.
    Bryony atmete die nach Kerzen duftende Luft tief ein und zählte bis fünf. »Okay. Wollen Sie hochkommen?«
    »Ja. Ich glaube, das sollte ich lieber.«
    Bryony drückte den Türöffner und wappnete sich für den seltsamen Eindringling. Sie öffnete die Wohnungstür und lauschte, wie die Frau die Treppe heraufstieg. Jeder Schritt hallte im Hausflur wider. Bryony erinnerte sich, wie es sich angehört hatte, als die Polizeibeamten ihren kurzen, aber steilen Marsch in engen schwarzen Schuhen antraten, die bei jedem Schritt gequietscht hatten. Der Marsch, der ihr Leben für

Weitere Kostenlose Bücher