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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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sicher. Ein kleines bisschen willkommen. Doch sie wurde weggestoßen. Abgelehnt. Erneut.
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, stieß sie hervor. In ihr stieg Wut auf   – ihr üblicher Gemütszustand   – auf die Frau vor sich.
    »Ich meine, komm schon, du verdienst eindeutig eine Menge Geld. Wieso bist du ausgerechnet zu mir gekommen? Wieso? Ist dir nicht klar, wie schwer es mir gefallen ist, weiterzumachen, nachdem ich getan hatte, was ich tun musste?«, fragte Lisa leise. Sie zügelte ihre eigenen Emotionen.
    »Aber was ist mit mir? Was ist damit, wie schwer es für mich ist?«, erwiderte Rachel, und als sie das Ende des Satzes erreichte, schwankte ihre Stimme. »Ich wollte, dass wir Freundinnen sind und alles hinter uns lassen. Ich dachte, damit würde ich uns beiden helfen, und was das Geld angeht, ich kann es mir leisten. Ich will nicht, dass du länger so leben musst   – darum geht es!«
    »Aber was, wenn das alles ist, was jemand wie ich verdient?« Lisa drehte sich um, sodass sie in die Spüle blickte. Sie wollte nicht, dass Rachel ihr Gesicht sah.
    »Ach, jetzt hör aber auf! Du brauchst dich nicht selbst so runterzumachen!«, entgegnete Rachel, frustriert von dieser Frau, die sich ihr gegenüber verhielt wie eine Fremde.
    »Ich muss dir das Geld zurückgeben, und dann musst du gehen. Das klappt nicht mit uns beiden.«

41
    »Ich habe niemanden.«

    Sonntag, 4. Oktober 2009
    Flügel A, Gefängnis High Elms, Südwest-London
    4 Uhr 30
    Als der Krankenwagen kam, war es noch dunkel, und sein Blaulicht zuckte über die Ziegelmauern des Gefängnisses.
    Frühmorgendliche Regentropfen fielen aus den Wolken und bedeckten alles mit einer kalten Decke aus Feuchtigkeit. Die meisten Häftlinge schliefen, doch die Sirenen ließen sie aus den Betten springen, zu den Gittern ihrer Zellen schlurfen und mit verschlafenem Blick auf den Korridor spähen.
    Eilige Schritte waren zu hören; Rettungssanitäter hetzten zu einer Zelle am Ende eines Zellentrakts. Ihre schwarzen Stiefel donnerten über die Betonfußböden. Ein paar Lampen waren eingeschaltet worden, damit sie wussten, wohin sie gingen. Wärter schlossen Türen auf und redeten leise miteinander.
    Schon bald hallte das Schluchzen Keon Hendrys durch die Flure: »Ich habe niemanden.«
    Eine Stunde später traf ein Arzt ein und erklärte Eddie Martin für tot.
    Ein Wärter kam wortlos in Keons Zelle und drückte ihm einen Beutel mit Murmeln in die Hände.

42
    Das war nicht seine Schrift.

    Samstag, 10. Oktober 2009
    Finsbury Park, Nord-London
    14 Uhr
    Endlich fühlte sich Sara imstande, die Briefe zu öffnen, die Tom ihr während ihrer Entfremdung geschickt hatte.
    Ihre Beziehung zu kitten war sehr schwierig gewesen, aber sie hatten ihr Zerwürfnis begraben. Sie wusste, dass sie von ihm nicht betrogen worden war, und in gewisser Hinsicht fand sie es insgeheim ziemlich amüsant, in was für einen ausgewachsenen Schlamassel er sich gebracht hatte. Sara war wirklich froh, dass sie ihm eine Chance gegeben hatte. Sie hätten so viel verlieren können.
    Die Briefe hatte Sara in einer Schublade verstaut und vergessen, doch heute Morgen waren sie ihr wieder eingefallen, nachdem sich Tom aus dem Bett gequält hatte und ins Atelier gefahren war.
    Ein Lächeln trat in ihr Gesicht. Sollte sie die Briefe lesen? Hatte das überhaupt einen Sinn?
    Sara hatte vergessen, dass Tom, seltsam, wie er war, nie ihren Namen auf die Umschläge geschrieben hatte, nur ihre Adresse in ungelenken Großbuchstaben, ein Versuch, sie glauben zu machen, dass sie nicht von ihm stammten. Doch dazu kannte Sara ihn zu gut. Tom war immerhin ein Künstler. Er war kreativ. Extravagant. Tapfer.
    Sie schob den Daumen unter die dünne Papierlasche desersten Umschlags und riss ihn auf, bis sie den Brief durch den Schlitz an der Oberseite herausziehen konnte. Sie setzte sich die Lesebrille auf und nahm am Küchentisch Platz. Helles Sonnenlicht fiel durch das Fenster auf den Tisch und tauchte alles in einen strahlenden Glanz, der das Papier so weiß erscheinen ließ, dass sie die Augen zusammenkneifen musste, um die Schrift zu lesen.
    Das war nicht seine Schrift.
    Sara stockte der Atem. Auf ihrer Stirn entstanden tiefe Falten, als sie die Absenderadresse las, die links oben auf die Seite gekritzelt war. Gefängnis Wandsworth. Ihr Herz fing an, heftig zu pochen.
    Die Schrift war jung, fast kindlich. Die Striche der Ts und die Punkte auf den Is, die kleine, ungleichmäßige Kreise bildeten, hatten etwas

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