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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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Verletzliches an sich. Der Brief war an eine Bryony gerichtet, aber die Anschrift auf dem Umschlag gehörte zu Saras Haus   … Sara nahm völlig verwirrt einen großen Schluck lauwarmen Tee und begann zu lesen.

    Liebe Bryony,
    mir ist klar, dass Sie von allen Menschen auf der Welt von mir wahrscheinlich zuletzt etwas hören wollen. Ich würde auch verstehen, wenn Sie diesen Brief in tausend Stücke reißen würden, aber bitte tun Sie es nicht. Bitte. Ich hoffe, dass die Briefe, die ich vorher geschrieben habe, nicht ein ähnliches Schicksal erlitten haben.
    Ich habe Ihnen einiges zu sagen und hoffe, dass Sie sich die Zeit nehmen, wenigstens diesen Brief zu lesen. Ich habe jetzt eine Zeit im Gefängnis verbracht, die mir sehr lang vorkommt, auch wenn es weniger als ein Jahr ist. Die Zeit dehnt sich hier drin, das können Sie sich nicht vorstellen. Ich hatte dadurch viel Zeit zum Nachdenken, und ich habe noch viel mehr davon vor mir.
    Sie waren nie bei der Gerichtsverhandlung. Für mich ist es aber wichtig, dass Sie wissen, dass ich kein gemeiner Verbrecher bin oder ein junger Mann, der die Tat mit irgendeiner Absicht begangen hat. Ich war jung und blind und dumm.
    Mir kommt es jetzt vor, als wäre ich seit dem März um hundert Jahre gealtert, aber ich mache mir Sorgen, dass meine neugefundene Weisheit verschwendet ist   …
    Sara saß aufrecht in ihrem Sessel, und ihr lief es kalt den Rücken herunter. Rasch drehte sie das Blatt um und las den Namen, mit dem unterschrieben war, denn sie hielt die Spannung nicht mehr aus.
    Keon Hendry. Hendry   …?
    Sie hatte von dem Fall gehört   – jetzt fiel ihr es wieder ein. Alles schien so lange zurückzuliegen. So eine lange Zeit, dass sie es vollkommen vergessen hatte. Sie hatte davon gelesen, als es überall in den Nachrichten war, zumal es sich auch ganz in der Nähe zugetragen hatte. Sie erinnerte sich, wie schockiert sie gewesen war, als sie begriff, dass Bryony Weaver und Max Tooley auf der gleichen Straße gewohnt hatten wie sie.
    Sie konnte sich erinnern, an Bryonys Wohnung vorbeigekommen zu sein, am Tag der Beerdigung; sie hatte die Wagen dort aufgereiht stehen sehen, und die vielen Blumen. An dem Tag hatte sie einen Kloß im Hals heruntergeschluckt, aber sie war zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt gewesen.
    Aber wie kam es, dass sie Briefe an Bryony erhielt? Sara sah wieder auf den Umschlag. Dort stand ihre Adresse. Er musste die falsche Hausnummer hingeschrieben haben.
    Sie ging zum nächsten Absatz des Briefes. Sie konnte nicht anders, sie musste weiterlesen, nahm die Worte auf, die direkt aus der Seele eines geplagten Wesen, zu steigen schienen, das so verzweifelt versuchte zu erklären, was es getan hatte.

    Ich wollte nur jemandem Angst einjagen, einem jungen Kerl, der mir und meinen Freunden Ärger gemacht hatte. Aber das ist furchtbar schiefgelaufen.
    Sara schnürte sich die Kehle zusammen, und sie sah hinter sich, obwohl sie allein war; aus irgendeinem Grund hatte sie Angst, jemand könnte sie beobachten.

    Ich weiß nicht, wie es dazu kam, dass ich abdrückte. Ich dachte, die Pistole wäre gesichert, und ich könnte sie gar nicht abfeuern   …
    Sara hatte ein schlechtes Gewissen, die Briefe so lange zurückgehalten zu haben, nur weil sie irrigerweise angenommen hatte, sie kämen von Tom. Sie dachte an den Abend vor ein paar Tagen, als sie ausgegangen waren und sie Tom gegenüber die Briefe erwähnte; er hatte sie so verdutzt angesehen. Jetzt verstand sie es plötzlich.

    Ich weiß nicht, wie Sie aussehen. Ich weiß überhaupt nicht viel über Sie. Sie sind zu keinem einzigen Verhandlungstag gekommen, und darüber war ich eigentlich erleichtert, denn damals hätte ich Ihnen nicht in die Augen blicken können. Aber jetzt muss ich Sie sehen, ich brauche Ihr Verständnis und Ihre Vergebung mehr als alles andere auf der Welt.
    Bryony musste Keon nie begegnet sein, überlegte Sara. Es war durchaus denkbar, dass sie nicht einmal wusste, wer er war   …

    In mir ist ein Funke von etwas. Ich möchte etwas tun, um die Welt zu verbessern. Ich will etwas Positives bewirken.
    Sara kamen die Tränen, als sie die auf das Blatt Papier gekritzelten Worte las. Sie empfand eine unerträgliche Schuld, weil sie die Briefe der eigentlichen Empfängerin vorenthielt. Sie stellte sich den Mann vor   – tatsächlich war er noch ein Junge –, wie er in seiner Zelle saß und sich fragte, wieso er nie etwas von Bryony hörte. Tief in ihrem Innern empfand sie

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