Ein Tag im Maerz
ein paar Strähnen, die sich aus dem engen Haarband gelöst hatten, ruhten nun auf ihrem hübschen Gesicht. Auf der dicken weißen Bettdecke liegend, streckte sie die Beine von sich wie ein Seestern. Die beige Siebenachtelhose ließ den Blick frei auf schlanke Beine und Fesseln; ihre Zehennägel hatte sie schwarz lackiert.
Das ist nur so ein Spielchen, dachte sie, um dem eigentlichen Thema auszuweichen, nämlich Max.
Ben verschränkte die Arme vor der Brust und schob die Füße unter die Bettdecke. Mit den Zehen spürte er die Knöpfe am unteren Rand der Decke. Ihre Schuhe standen nebeneinanderam Fußende: ein Paar altehrwürdige Adidas Gazelles und hellbraune Lederpumps von French Connection.
Im Zimmer war es dunkel bis auf den Schein der kleinen Nachttischlampe, die immer wieder dunkler wurde, ehe sie zu voller Stärke zurückkehrte. Der Sommerregen trommelte gegen die Fensterscheibe, als klopften Tausende winziger Gespenster und bäten damit um Einlass. Dicke graue Wolken hatten sich zusammengezogen und verdeckten den blauen Himmel, und in der Wohnung kam es ihnen vor, als wäre es schon Winter.
»Ach, ich weiß! Ich hatte ein wirklich seltsames Projekt, als ich noch klein war. Es war in der vierten Klasse, glaube ich, und ich weiß nicht mehr, wie ich darauf kam, aber ich hielt es für meine gottgegebene Aufgabe auf Erden, Würmer zu retten.« Bryony lächelte breit bei dem Gedanken an ihre jugendliche Dummheit. »In jeder Mittagspause habe ich also meine Sandwiches heruntergeschlungen, bin mit meiner Brotdose auf den Schulhof gezogen und habe sie mit sämtlichen Regenwürmern gefüllt, die ich am Rande des Rasens finden konnte.« Sie schauderte bei dem Gedanken, Würmer anzufassen; heute hätte sie sich dazu nicht mehr überwinden können.
»Und was hast du mit ihnen angestellt, nachdem du sie von dort entführt hattest, wo sie am liebsten waren, du weißt schon, ihrem natürlichen Lebensraum?«, fragte Ben, dem vor lauter Kichern das Sprechen schwerfiel.
»Danach habe ich sie für den Nachmittag in meinem Spind eingeschlossen und zu Hause in unserem Garten wieder freigelassen«, antwortete Bryony und kiekste laut.
»Die armen Teufel!« Ben rieb sich das Auge mit seiner etwas groben Faust. So lang wie jetzt hatte er sein dichtes blondes Haar nicht mehr getragen, seit er ein skateboardender Teenager gewesen war. Von jahrelangem Rugby-Training waren seine Beine dick wie Baumstämme, und neben Bryony wirkte er wieein Riese. Seine Nase hatte bei zu vielen Gelegenheiten ein Knie oder einen Ellbogen abbekommen und war zweimal gebrochen gewesen. Er hatte versucht, Max für das Spiel zu begeistern, doch als er ihn auf der Zuschauertribüne stehen sah, einen gut aussehenden, schlanken Rockfan, der Kerouac las und Cola light trank, hatte er gewusst, dass es nicht funktionieren konnte. Max war zu »hübsch« gewesen für Rugby, zu künstlerisch. Zu kreativ.
»Ja … ich bezweifle sehr, dass es ihnen in einer engen Butterdose, die nach altem Corned Beef miefte, besonders gut gefallen hat, und das zweieinhalb Stunden lang«, sagte Bryony. Plötzlich taten ihr die armen Würmer leid, in einem brütend warmen Spind eingesperrt, wo sie sich mit den Krümeln ihrer Pausensandwiches begnügen mussten.
»Ich werde dich der KGVGW melden«, sagte Ben und zog sein grünes T-Shirt über den Bauch. Bei dem Gelächter war es hochgerutscht und hatte einen trainierten Bauch mit einer schimmernden Spur aus blondem Haar darauf freigelegt.
»Was soll das sein?« Bryony wandte sich ihm mit einem verwirrten Gesichtsausdruck zu.
Ben krümmte sich innerlich zusammen, so lahm war sein Scherz. »Äh, die Königliche Gesellschaft zur Verhütung von Grausamkeiten gegenüber Würmern?«, fragte er und räusperte sich.
Ein verlegenes Schweigen folgte, in dem sie beide still das entsetzlich niedrige Niveau ihres Gefrotzels beklagten. Doch plötzlich breitete sich ein Lächeln auf Bryonys Gesicht aus, und sie rief: »He! Ich habe nur versucht, ein guter Mensch zu sein!« Sie zog ein Kissen unter ihrem Rücken hervor und schlug ihm damit ins Gesicht.
Ben fehlte die Zeit, es abzuwehren, und seine Worte warenkaum zu verstehen mit dem Stoff, den er in den Mund bekommen hatte.
»Also los, jetzt bist du dran. Was ist das Lustigste, was du in der Grundschule gemacht hast?«
Ben überlegte kurz, dann wurde ihm klar, dass sein lustigstes Erlebnis auf der Grundschule mit Max zu tun hatte. So wie die meisten komischeren Momente in seinem Leben. Er
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