Ein Tag im Maerz
hätte werfen und zum letzten fehlenden Stück in Toms Ausstellung werden können – ein lebendes Exponat über den Schmerz, den Liebeskummer mit sich bringt. Hatte es wirklich so weit kommen müssen?
Einerseits wäre sie am liebsten zu ihm gelaufen, hätte ihn leidenschaftlich geküsst und alles wiedergutgemacht, aber es fiel ihr nach wie vor schwer, über das hinwegzusehen, was geschehen war.
Sollte sie ihrem untreuen Mann vergeben? Hörten Ehebrecher überhaupt je mit dem Betrügen auf? Immer wieder hatte sich Sara diese Frage gestellt, während sie nachts im Bett wach dalag und auf die Betrunkenen horchte, die von den Kneipen der Gegend nach Hause torkelten.
Tom sah immer wieder nervös zu ihr hinüber. Hin und wieder wandte er den Blick von den Leuten ab, mit denen er redete, als wollte er den Schaden abschätzen. Sehen, wie sie reagierte. Würde sie ihm eine Szene machen? Oder in Tränen ausbrechen?
»Hallo, sind Sie Sara?«, hörte sie eine Stimme hinter sich, die ein Klopfen auf ihre Schulter begleitete; fremde Finger, die ihre Haut berührten.
Sara drehte sich um und sah jemanden vor sich, der nur ein Reporter sein konnte. Er wirkte leicht nervös und hielt ein Notizbuch in der Hand. Tanya stellte sich neben Sara, nahm siebeim Arm und zog sie ein Stückchen näher, als wollte sie klarstellen, dass sie da war.
»Ja, das bin ich. Und wer sind Sie?«
»Ich bin Ryan vom Finsbury Ad «, sagte der Mann und reichte ihr die Hand.
Sara ergriff sie und bemerkte, wie verschwitzt seine Handfläche war. Sie fand die Situation unangenehm. Sie erinnerte sich an seine Stimme; sie kannte sie von ihrer Mailbox, wo er sie um einen Kommentar zu einer Story anflehte, die schön, bewegend und menschlich interessant sein wollte. Sara war sich jedoch nicht sicher gewesen, ob sie irgendeinem dieser Journalisten die Antworten geben konnte, die sie hören wollten, und hatte niemanden zurückgerufen.
»Hallo, Ryan, wie kann ich Ihnen helfen?«
Er stapfte nervös auf der Stelle und fuhr sich mit der Hand über die Jacke. Sarah bemerkte ein paar weitere Reporter, die sich zu ihm umdrehten und ihn neidisch anblickten, weil er sich als Erster ein Interview gesichert hatte.
»Ich würde mich gern mit Ihnen über die Ausstellung unterhalten. Ich hätte natürlich auch gern gewusst, ob Sie Mr. Wilson nach seinem tapferen Beweis der Reue noch eine zweite Chance in Ihrem Leben geben.« Er stellte die Frage mit hochgezogener Augenbraue und wirkte, je näher er dem Ende seines Satzes kam, immer zuversichtlicher.
Da war sie: die Frage des Abends aus dem Munde eines gut aussehenden jungen Journalisten.
Doch sie wollte sich zu nichts zwingen lassen. Oder drängen. Hier ging es nicht darum, auszurufen: Ja, ja, ich liebe ihn noch immer! , bis die Gemälde an ihren Aufhängungen zitterten und die Leute ringsum lächelnd die Fäuste in die Luft reckten. Obwohl es eine schöne, romantische Vorstellung war, wusste Sara doch genau: Wenn die Champagnerflöten erst einmal eingesammelt und die Lampen im Café ausgeschaltet waren, stand sie allein da mit dem Mann, dem sie vorwarf, sie hintergangen zu haben, und der sie jederzeit wieder hintergehen konnte. Doch sie liebte ihn so sehr … »Dazu möchte ich im Moment nichts sagen«, antwortete sie ruhig.
»Na gut, hören Sie, bitte, wenn Sie reden möchten, rufen Sie mich an …«, bat Ryan, griff in seine Tasche und reichte ihr eine Visitenkarte. Dann drehte er sich um und ging langsam davon. Er musste dem Journalistenrudel, das ihr Gespräch belauert hatte, einen dezenten Wink gegeben haben, denn es wirkte plötzlich niedergeschlagen, dann strebten alle auseinander, um sich mehr Kaffee und Champagner zu holen.
»Was wirst du denn tun?«, flüsterte Tanya ihr ins Ohr.
»Ich weiß es nicht. Es berührt mich alles so, und es wirkt so aufrichtig, aber ich weiß einfach nicht, ob ich ihm je wieder trauen kann.« Sara sah sie an und bemerkte den skeptischen Blick, den Tanya nicht verloren hatte, seit die ganze Affäre entdeckt worden war.
Tom sah wieder zu ihr hin, und Sara bedeutete ihm erneut, sich fernzuhalten. Er trat wieder ins Halbdunkel, wo sie ihn sehen konnte, wie er sie über den Rand seines Glases hinweg beobachtete, das Gesicht halb verborgen in der Dunkelheit. Er sah traurig aus, vielleicht sogar verzweifelt.
Sara bat Tanya, sie kurz allein zu lassen. Tanya blickte sie forschend an, dann ging sie ein Stück weiter und starrte – die Arme verschränkt, der Gesichtsausdruck
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