Ein Tag im Maerz
die Haltung eines Zuversichtlichen.
Doch in seinen Augen war etwas anderes, ein Flackern der Furcht, denn sie könnte ja Nein sagen.
»Wohin?«, fragte Bryony und sah mit leerem Blick von ihrem zerfledderten Buch auf.
»In die Küche«, sagte er, und jetzt breitete sich die Furcht sichtlich in seine Gliedmaßen aus. Es war erstaunlich, wie viel der Körper ausdrücken konnte, ohne den Mund zu benutzen.
»Wozu?«, fragte Bryony. Ihr Gesicht war noch immer ausdruckslos.
»Weil ich Plätzchen backe, oh, und ich heiße übrigens Adam«, sagte er, aber mitten in seinem Namen quäkte seine Stimme wie ein defektes Akkordeon, und ein tiefes Rot schoss ihm in die Wangen. Er räusperte sich. »Adam«, wiederholte er mit viel tieferer Stimme und lächelte leicht, den Blick auf den Boden gerichtet. Er wirkte verlegen.
Bryony wusste nicht, was sie von dem Burschen halten sollte. Seit Max’ Ermordung schleppte sie sich mehrmals pro Woche in dieses Café, schlürfte Latte, bis sie zitterte, und tat so, als lese sie Dutzende Bücher, obwohl sie in Wirklichkeit immer wieder die gleichen Zeilen aus Stolz und Vorurteil überflog.
Doch er kam jedes Mal zu ihr, bot ihr Sahne an, die sie nicht wollte, und Schokoladeneier zu Ostern, und jetzt bedrängte er sie mit seinen Plätzchen.
»Tut mir leid … schon okay – ich sehe ja, du bist beschäftigt«, sagte er mit niedergeschlagener Miene.
Bryony bekam ein schlechtes Gewissen. Da suchte jemand Kontakt zu ihr, jemand wollte tatsächlich Zeit mit ihr verbringen trotz allen Elends, allen Jammers und der vielen zusammengeknüllten Papiertaschentücher. Sie sah ihm in die Augen und fragte sich, was sie tun sollte. Vielleicht war es Zeit, dass sie versuchte, wieder Verbindung zur Welt draußen aufzunehmen.
Er drehte sich um und wollte gehen.
»Warte.«
Nur ein Wort. Es schlüpfte ihr einfach über die Lippen.
Er wandte sich langsam wieder um, und in seinen Augen war ein Funkeln.
»Kann ich helfen?«, fragte sie und legte ihr Buch auf den Tisch.
»Ja, darauf hatte ich gehofft«, sagte er, nahm ihre Hand und zog Bryony Richtung Küche. Es ging so schnell und fesselte sie so sehr, dass sie ihre Handtasche unter dem Tisch stehenließ. Aber sie interessierte sich nicht mehr für Dinge; nachdem sie Max verloren hatte, erschien es ihr sinnlos, sich Gedanken um ein Handy oder ein Portemonnaie zu machen.
»Hat deine Chefin denn nichts dagegen?«, fragte Bryony. Sieging unter einer Reihe von Pfannen her, die über dem Eingang zur Küche hingen. Auf ihrem Gesicht war ein breites Lächeln. Sie nahm ein Band von ihrem Handgelenk und band sich das Haar locker hoch, blickte auf ihr schwarzes Kleid und fragte sich, wie sehr sie sich schmutzig machen würde.
»Sie ist heute nicht da«, sagte er, und sein freches Grinsen kehrte zurück.
Plötzlich fühlte Bryony sich schlecht. Sie nahm Kontakt zu einem anderen Mann auf, wenn auch nur in dieser lockeren Situation, und sie kam sich schrecklich vor. Wäre Max wütend auf sie, wenn er sie sehen könnte? Sogar eifersüchtig?, fragte sie sich. Sie versuchte, den Gedanken beiseitezuschieben, weil er unvernünftig war. Bryony würde sich niemals mit einem anderen Mann einlassen. Sie wusste es, genauso wie sie wusste, dass ein Kreis dreihundertsechzig Grad hatte. Es war undenkbar. Sie hatte sich auf ein Leben romantischer Leere eingerichtet, denn nichts und niemand konnte oder würde jemals wie Max sein oder ihm gleichkommen. Also ist es gut, sagte sie sich. Sie freundete sich nur mit jemandem an. Auch wenn er ziemlich gut aussieht, dachte sie und verwarf den Gedanken so schnell, wie er gekommen war.
»Also gut, hier, zieh dir die Handschuhe an.« Er warf ihr ein Paar dünner, durchscheinender Monstrositäten ins Gesicht, dessen Finger an ihrem hellrosa Lippenstift hängen blieben, bevor sie von ihrem Mund abrollten.
Sie sah wieder unbeeindruckt drein.
Bryony klaubte die Handschuhe von ihrem Kleid und zog sie über.
»Wofür sind die Kekse?«
»Ich wollte nur etwas Neues ausprobieren – im Grunde ist es ein Experiment. Mir ist heute langweilig, so erstaunlich das vielleicht klingt«, sagte er, rieb sich in die Hände und blickte begierig auf einen großen Haufen aus ausgerolltem Kuchenteig.
Bryony entdeckte ein Blech mit herzförmigen Plätzchen; es erinnerte sie an den Valentinstag. Ein scharfer Schmerz durchfuhr sie: Valentinstag … Ob sie mit irgendeiner Ausrede schnell verschwinden konnte? Am letzten Valentinstag hatte Max sie
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