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Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearson Mary E.
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wegrutschen, weil der Bootsrumpf unten schmaler ist als oben. Tja, Seth wird meine Nähe eben aushalten müssen, schließlich war es seine Idee, sich auf den Boden zu setzen.
    »Wer will als Nächster?«, fragt Seth.
    Aidan grinst mich an und sagt lauernd: »Ich hätte da eine Frage an …«
    »Stopp!«, unterbreche ich ihn. »Wollen wir nicht erst vereinbaren, was derjenige machen muss?«
    Mira stimmt mir zu. »Hast recht, Des, so lautet die Spielregel.« Sie sieht sich um, aber was kann man in einem Ruderboot schon groß anstellen? »Was haltet ihr davon, wenn derjenige, der nicht antworten will, ans Ufer zurückschwimmen muss?«
    Damit ist Aidan gar nicht einverstanden. »Spinnst du, Mira? Das Wasser hat höchstens zehn Grad.«
    Ich fange seinen Blick auf und sage genauso lauernd wie er eben: »Wenn man die Frage beantwortet, ist das doch egal,
Cowboy
.« Vielleicht überlegt er sich ja jetzt zweimal, was er mich fragt, jedenfalls scheint er Unheil zu wittern und ist plötzlich gar nicht mehr so wild drauf, mir eine Frage zu stellen.
    »Auch wieder wahr«, sagt Mira. »Schwing dich in den Sattel, Cowboy! Wenn die Aufgabe zu leicht wäre, würde das Spiel ja nicht funktionieren.«
    Manchmal beneide ich Mira um ihre unbekümmerte Art. Was sie sagt, hat es durchaus in sich, aber sie bringt es so fröhlich und spontan rüber, dass niemand etwas dagegen einwenden kann. Aidan ist jedenfalls still.
    »Was wolltest du mich denn fragen, Aidan?«, frage ich unschuldig.
    Er blickt seufzend auf. Mir ist klar, dass er von seiner ursprünglichen Frage abgekommen ist. Das will ich ihm auch geraten haben, denn ich hatte mir für ihn schon eine Frage ausgedacht, die er garantiert nicht beantwortet hätte … was ein kaltes Bad zur Folge gehabt hätte. Aidan würde nie zugeben, dass er in einer Prüfung mal nicht die höchste Punktzahl erreicht hat. »Okay, Des – was ist deine Lieblingsfarbe?«
    »Hä?«, macht Seth. »Was ist das denn für ’ne blöde Frage.«
    »Das ist eine ausgezeichnete Frage«, sage ich, schaue Aidan fest an und setze hinzu: »Eine
kluge
Wahl.«
    Mira schließt sich Seth an: »Ich finde die Frage auch nicht gut, weil ich die Antwort schon weiß. Rosa.«
    »Falsch.«
    »Gar nicht. Du schreibst deiner Tante Edie immer auf rosa Briefpapier. Und ich hab mal gehört, dass man sich für sein Briefpapier immer seine Lieblingsfarbe aussucht, weil man in Briefen sein Herz ausschüttet.«
    »So was Bescheuertes hab ich ja noch nie gehört!«
    »Also
ich
wette, Des’ Lieblingsfarbe ist Schwarz.«
    »Schüttest du deiner Tante denn dein Herz aus?«, fragt Seth.
    Schlagartig sind alle still und sehen mich an.
    »Man darf immer nur eine Frage stellen«, wende ich ein.
    »Aidans Frage war so harmlos, dass sie nicht zählt. Außerdem hat Mira die Frage bereits beantwortet.«
    »Dafür kann ich nichts.«
    »Die Frage ist doch viel leichter zu beantworten als die, die Mira mir gestellt hat. Noch mal: Schüttest du deiner Tante Edie dein Herz aus?«
    Die drei sehen mich aufmerksam an, als überlegten sie, ob ich überhaupt ein Herz habe. Oder etwa doch ein Affenherz? Könnte schon sein. Ich schaue zu Boden. »Ich schreibe … ich schreibe, was ich mir wünsche … was ich …« Ich hebe den Kopf und sehe Seth an. »Aber ich schicke die Briefe nie ab. Sie liegen alle in einer Schachtel in meiner untersten Kommodenschublade.«
    Der Wind bläst über unsere Köpfe. Das Boot schaukelt. Die drei schweigen.
    »Und ja, Mira hat recht: Rosa ist meine Lieblingsfarbe.«
    Aidan gibt sich einen Ruck. »Wozu schreibst du Briefe, wenn du sie nicht abschickst? Das ist doch die totale Zeitverschwendung.« Mira wirft ihm einen mahnenden Seitenblick zu.
    »Ist schon in Ordnung, Mira«, sage ich. »Ich kann verstehen, dass Aidan sich wundert. Mir geht es um das Schreiben an sich. Wenn die Sätze auf dem Briefbogen stehen, habe ich sie ausgesprochen, wenn auch nur auf dem Papier. Das reicht schon.«
    »Echt?«, kommt es von Seth.
    Ich begegne seinem Blick. Bis jetzt dachte ich jedenfalls, dass mir das Aufschreiben reicht. Dass ich mich damit begnügen muss. Anklagen, Vorwürfe, Bitten, Entschuldigungen … Wortgewaltig auf rosa Briefpapier gebannt und anschließend versteckt. Aber in Wirklichkeit hat es nie gereicht, sonst hätte ich den nächsten Brief nicht geschrieben. Und den übernächsten. Und den überübernächsten. Ein witzloses Selbstgespräch.
    »Na ja … Ich kann es sowieso nicht ändern.«
    Seth grinst vielsagend. »Wenn

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