Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearson Mary E.
Vom Netzwerk:
weiß das alles nur von Tante Edie, die es mir irgendwann später erzählt hat. Aber ich weiß noch, wie Papa am Armband seiner Uhr spielte und andauernd auf das Zifferblatt schaute. Er saß mit unserer Babysitterin Esme vorn. Esme fuhr, Mama, Gavin und ich saßen hinten. Papa drehte sich immer wieder besorgt nach Gavin um, für mich hatte er einen flüchtigen Seitenblick übrig. Nur einmal schaute er mich richtig an, lächelte mir zu, wollte mich auch zum Lächeln bringen, aber ich drehte mich weg und schaute aus dem Fenster. Schließlich hatte ich Geburtstag. Mama war zu beschäftigt mit Gavin, um Papas Unruhe und mein trotziges Schweigen mitzubekommen. Gavin brabbelte vergnügt vor sich hin und machte überhaupt keinen kranken Eindruck. »Braver Junge!«, sagte Mama immer wieder. Sie tat nicht mal so, als ob das mit dem Kranksein stimmte. Es war nicht zu übersehen, wem ihre Zuneigung galt.
    Langdon hat nur einen kleinen Flughafen mit zwei Flugsteigen und einem gemeinsamen Wartesaal. Esme fuhr auf den Parkplatz, und wir gingen mit meinen Eltern und Gavin hinein, um sie zu verabschieden. Esme zog mich an sich und raunte mir zu: »Jetzt schmoll nicht. Sag deinen Eltern auf Wiedersehen. Dann kauf ich dir auf dem Heimweg auch ein Eis.« Die ganze Welt hatte mir zu Füßen gelegen. Was war eine Kugel Eis dagegen?
    Erst im letzten Augenblick ging mir auf, dass alles Schmollen meine Eltern nicht von diesem Flug abhalten würde, und ich heulte los. Ich machte eine richtige Szene, und sie nahmen mich endlich zur Kenntnis. Mama kniete sich vor mich hin und musste auch weinen. Sie erklärte mir noch einmal ausführlich, weshalb Papa und sie ausgerechnet heute wegfliegen mussten. Aber sie blieb dabei. »Du bist doch Mamas braves Mädchen, Destiny. Du musst nicht weinen. Lach doch lieber mal! Gib Mama ein Abschiedsküsschen.«
    Ich war aber kein braves Mädchen. Ich lachte nicht. Ich gab niemandem ein Abschiedsküsschen. Ich war fassungslos, dass mich meine Eltern verlassen wollten.
    »Wir müssen, Caroline! Alle anderen Passagiere sind schon an Bord. Alles wartet nur noch auf uns. Destiny beruhigt sich schon wieder.« Papa gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Mama auch. Eine angemessene Verabschiedung für Esme und für jeden, der zusah. Sie hatten ihre Pflicht getan, waren mich endlich los. Sie gingen davon. Papa schwenkte den Babysitz mit dem lächelnden Gavin. Esme nahm mich an der Hand und wollte zum Parkplatz gehen, aber ich riss mich los. Ich lief zum Fenster, schaute ihnen nach, wie sie über das Rollfeld gingen und die Gangway zu dem wartenden Flugzeug hochstiegen. Dann wurde die Gangway auch schon weggefahren, die Bremsklötze hinter dem Fahrwerk wurden weggezogen und das Flugzeug rollte über die Startbahn. Die bauchigen Wolken hatten sich zu einer dicken, dunklen Decke zusammengezogen.
    War es schon zu spät? Konnten sie mich noch sehen? Zögerlich hob ich die Hand. Vielleicht schauten sie ja gerade aus ihrem Fenster. Aber das Timing! Ein anderer Termin. Ein anderes Flugzeug. Eine Verspätung. Lauter unzusammenhängende Kleinigkeiten, die in einem bestimmten Augenblick zusammentrafen. Ein Netz aus Abweichungen, das manche Leute Zufall nennen. Es war zu spät. Mein Gesicht wurde ganz heiß. Sie waren weg. Sie schauten nicht zurück. Sie nahmen mich nicht mit. »Destiny!« Esme zog mich von der Scheibe weg und drückte mein Gesicht an ihren Bauch, so fest, dass ich keine Luft mehr bekam. Vielleicht hielt ich aber auch von allein die Luft an. Sie hatten mich verlassen. Meine Eltern und Gavin hatten mich zurückgelassen.
    Als ob das nicht schlimm genug gewesen wäre, schickten sie mich auch noch weg, als sie wiederkamen, schickten mich weg, damit ich ihr heißgeliebtes Söhnchen nicht anstecken konnte. Machten ohne mich weiter. Aber das ist jetzt auch schon egal. Es ist viel zu lange her.

28
    Wir haben beschlossen, dass wir erst noch ein bisschen »Langdon unsicher machen« wollen, wie Mira sich ausdrückt, denn meine Eltern wohnen am Stadtrand. Ich sage, dass ich ganz Miras Meinung bin, denn dann haben wir wenigstens einen schönen Tag in Langdon verbracht, falls es mit meinen Eltern nicht so gut läuft. Was ich nicht sage, ist, dass ich auf diese Weise Zeit gewinne, es mir noch mal anders zu überlegen. Als wir zum Bootsverleih zurückrudern, hat der Alte schon alle anderen Boote winterfest gemacht, am Ufer aufgebockt und mit Planen zugedeckt.
    »Ich dachte, er schließt den Verleih erst Ende der

Weitere Kostenlose Bücher