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Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearson Mary E.
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Bingham und seine Glatze!«
    »Auf mein Nasenbluten!«
    Seth und Aidan scheint das Spiel genauso viel Spaß zu machen wie Mira, jedenfalls sind sie eifrig bei der Sache. Ich hebe meinen Pappbecher. »Wenn wir auf die Leute trinken wollen, wegen denen wir hier gelandet sind, dürfen wir Mr Nestor nicht vergessen.«
    Alle heben ihre Becher. »Auf Mr Nestor und auf Tage, an denen alles ist, wie es sein soll!«
    Ich trinke aus, Seth auch, dann gibt er mir seinen leeren Becher. Ich stecke beide Becher ineinander und stelle sie unter meinen Sitz. Womit sich Miras Spiel erledigt hat.
    »Was glaubst du, wer dieser Mr Nestor in Wirklichkeit ist?«, fragt sie als Nächstes.
    »Ein Serienmörder. Das habe ich ihm auf den Kopf zugesagt.«
    Seth lacht. »Logisch. Der Typ bringt reihenweise Schüler um, indem er sie mit seinem Unterricht zu Tode langweilt. Aber dafür haben wir doch schon Bingham – wir brauchen nicht noch einen von der Sorte.«
    »Wahrscheinlich ist er einfach ein Vertretungslehrer«, wirft Aidan ein.
    »Der sich im Park verlaufen hat?«
    »Ach was. Der Typ hat den Unterricht geschwänzt. Wie du.«
    »So wird’s sein.« Bei Aidan siegt letzten Endes immer die Vernunft, das ist eben seine Welt. Aber ich kann ja genauso wenig von meiner Welt lassen. Der Gedanke, dass er und ich womöglich zwei Seiten derselben Medaille sind, beunruhigt mich.
    »Und jetzt? Wo soll ich langfahren?«, kommt es von Seth. Vor uns ist eine Kreuzung.
    Ich sehe mich um. »Geradeaus … nein, links. Bieg links ab.«
    »Sicher?«
    »Ja.« Glaube ich wenigstens.
    Die Straße wird schmaler, schlängelt und windet sich. Die Häuser stehen hier ein ganzes Stück vom Bürgersteig zurückgesetzt, hinter hohen Hecken und weitläufigen Vorgärten.
    »Teures Pflaster«, stellt Aidan fest.
    »Sind wir richtig?«, vergewissert sich Seth erneut.
    Ich nicke, dabei bin ich keineswegs sicher. Aber ich kann ja wohl schlecht zugeben, dass ich mich nicht daran erinnern kann, wo ich wohne. Als ich zuletzt hier war, war ich acht. Achtjährige prägen sich nicht die Fahrtstrecke ein. Kinder merken sich keine Straßen und Straßennamen, sie orientieren sich an anderen Dingen: an einer Windmühle, einem verrosteten Eisenbahnwaggon, einer langen Reihe Briefkästen, zwei Steinsockeln mit Löwenfiguren drauf. Wo ist das alles geblieben?
    Die Straße macht eine Biegung nach der anderen.
    Dann hört sie einfach auf. Wir sind in einer Sackgasse gelandet. Nirgends ein Haus.
    Seth lässt den Wagen im Leerlauf tuckern. »Das kann nicht stimmen. Oder wohnen deine Eltern in einem Kaninchenbau?«
    »Wir können doch jemanden nach dem Weg fragen«, meint Mira.
    Wir drehen uns nach ihr um. Wir sind am Ende der Welt, keine Menschenseele lässt sich blicken. Mira zuckt die Achseln. Sie hat’s kapiert.
    »Tut mir echt leid«, sage ich. »Anscheinend sind wir doch falsch abgebogen.«
    »Macht doch nix.« Seth wendet. »Wie lautet noch mal die Adresse?«
    »Ravenwood Nummer 829.«
    Wir fahren zur letzten Abbiegung zurück. Seth hält und schaut erst nach rechts und links, dann sieht er mich an. Ich schüttle den Kopf. Am liebsten würde ich mich unter den Sitz verkriechen, wo die leeren Pappbecher stehen. Was ist das bitte für eine Siebzehnjährige, die sich nicht erinnern kann, wo sie wohnt?
    Seth fährt weiter. »Wir versuchen’s mal mit …«
    Aidans Arm schießt vor. »Da drüben ist jemand!«
    Ein Stück die Straße runter sitzt ein alter Mann auf einem Stuhl. Auf dem Kopf hat er einen breitkrempigen Hut, vor ihm stehen zwei große Körbe. Der eine Korb ist voller Äpfel, in dem anderen liegen zu Sträußen gebundene kleine Sonnenblumen. Ein krakeliges Schild zeigt in unsere Richtung, und darauf steht:
Opst und Bluhmen.
    »Komisch. Der Typ ist mir vorhin gar nicht aufgefallen.«
    »Der Ärmste«, sagt Mira mitleidig. »Hier in der Pampa kommen bestimmt nicht viele Kunden vorbei.«
    »Halt mal an.« Ich steige aus und laufe zu dem Alten hinüber. »Entschuldigung, können Sie mir sagen, wie wir zur …«
    Er schüttelt den Kopf und winkt ab. »Nix Englisch, nix Englisch. Blumen? Blumen?«
    Ich versuche es mit meinem holprigen Französisch und habe genauso wenig Erfolg. »Nix Englisch, nix Englisch. Äpfel?«
    Ich krame mein so gut wie nicht vorhandenes Deutsch hervor.
    »Nix Englisch, nix Englisch. Billig, billig.«
    Ich gehe wieder zum Auto.
    »Das ging ja schnell. Was hat er gesagt?«, erkundigt sich Seth.
    »Er spricht kein Englisch oder irgendeine andere Sprache,

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