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Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearson Mary E.
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Seth«, sagt Mira. »Du bist wirklich immer nett und freundlich.«
    »Gestört?«, wiederholt Aidan ungläubig.
    Seth ist einen Augenblick sprachlos. Sein Blick ist schwer zu deuten – ist er wütend oder verlegen? Jedenfalls geht er wieder auf die Fahrerseite. »Wir fahren zurück!« Er öffnet die Tür.
    »Halt! Warte!«, rufe ich flehend. »Ich weiß noch eine Geschichte über einen unglaublichen Zufall!«
    Aidan sagt schroff: »Mir reicht’s!«
    Seth nickt und sagt in hochironischem Ton: »Das hat uns gerade noch gefehlt …
noch
eine Geschichte!«
    »Hört mir doch erst mal zu!«
    »Vergiss es.«
    »Wir fahren zurück.«
    Mira platzt der Kragen. »Ruhe! Alle beide!« Sie beugt sich weit vor und schnappt sich den Zündschlüssel. Dann knurrt sie: »
Ich
möchte die Geschichte gern hören, und darum lasst ihr Des jetzt gefälligst erzählen. Schieß los, Des.«
    Die beiden Jungs sind platt. Ich ergreife die Gelegenheit beim Schopf.
    »Am 5. Dezember 1664 ging vor der Küste von Wales ein Schiff unter. Von den einundachtzig Passagieren kam nur ein Einziger mit dem Leben davon, ein gewisser Hugh Williams. Über hundert Jahre danach, am 5. Dezember 1785, ging an derselben Stelle noch ein Schiff unter. Alle sechzig Passagiere ertranken – bis auf einen. Er hieß Hugh Williams. Am 5. Dezember 1860 ging ein weiteres Schiff dort unter. Es gab nur einen einzigen Überlebenden.«
    Den letzten Satz der Geschichte kann ich mir sparen, das sehe ich Aidan und Seth an.
    »Hugh Williams«, spricht Seth es schließlich aus.
    »Richtig. Das lässt sich ja wohl kaum mit dem Gesetz der großen Zahl erklären! Das Universum ist weder so alt noch so groß! Das Schicksal geht manchmal unbegreifliche Wege. Es gibt Dinge, die sich unserem Verständnis entziehen, Dinge, die weit über ein Auto hinausgehen, das mit laufendem Motor auf einen wartet. Seit ihr heute Morgen freiwillig eingestiegen seid, hat sich nichts geändert … außer, dass ich jetzt ehrlich war und die Wahrheit gesagt habe.«
    Seth schaut zu Aidan hinüber und verzieht das Gesicht, dann blicken sie beide Mira an, die immer noch die Schlüssel umklammert hält. Mira ist in Gedanken versunken. Dann gibt sie sich einen Ruck und reckt das Kinn. »Was meinst du, wollen wir unsere Söhne Hugh Williams nennen?« Sie zwinkert Aidan zu. »Und zwar alle drei.«
    Aidan gibt sich Mühe, weiter ein finsteres Gesicht zu machen, aber schließlich erliegt er doch Miras Anziehungskraft. Grinsend sagt er: »Tja, was passiert ist, lässt sich jetzt auch nicht mehr ändern. Die Polizei ist anscheinend noch nicht hinter uns her. Da können wir ebenso gut bis zum Abend wegbleiben, das macht es auch nicht mehr schlimmer.«
    Seth gibt sich geschlagen wie ein Kapitän, dessen Mannschaft meutert. Trotzdem dreht er sich noch einmal zu mir um. Er atmet schwer wie nach einem Marathonlauf. Er ist sauer, dass ich ihn vor den anderen bloßgestellt habe. Er lächelt zwar, aber nicht freundlich, sondern tückisch wie eine Katze, die eine Maus in die Enge getrieben hat. »Ich bin hier aber der Einzige, der fahren kann. Und bevor wir weiterfahren, möchte ich noch eine Runde spielen.«
    »Welches Spiel denn?« Ich ahne nichts Gutes.
    »Wahrheit oder Pflicht.« Sag ich doch: gar nicht gut. »Und was soll die Pflicht sein?«
    »Dass wir auf den Marktplatz von Langdon fahren, du von da aus die Schule anrufst und sagst, dass du das Auto geklaut hast.«
    »Und uns entführt hast«, fügt Aidan an.
    Nicht schlecht dafür, dass er keine Übung in diesen Dingen hat. »Und wie lautet die Wahrheitsfrage?«
    »Ach, die ist eigentlich ganz harmlos, jedenfalls wenn du dich beim Beantworten genauso viel traust wie beim Autoklauen.«
    »Klar.« Mal sehen.
    »Warum machst du so einen Aufstand um das heutige Datum? Heute ist der neunzehnte Oktober. Was hat es damit auf sich?«
    Harmlos?
    Von wegen.
    Unerklärbar. Unlogisch. Unmöglich. Ja. Und trotzdem eine Tatsache – für mich. Der Tag, an dem ich verstoßen wurde. Weggeschickt. Abgeschoben. Der Tag, an dem ich mich hätte verabschieden sollen. Mich hätte anders verhalten sollen. Der Tag, an dem ich sieben wurde. Das Gegenteil von harmlos, lieber Seth. Aber heute muss ich nach Hause fahren. Es ihnen sagen. Es meinen Eltern sagen. Habe ich endlich genug Mut gesammelt? Oder bin ich einfach nur hirnverbrannt? Keine Ahnung. Aber ich muss nach Hause. Und deswegen muss ich jetzt die Wahrheit sagen – zumindest teilweise.
    »Ich habe heute Geburtstag.«
    Die drei

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