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Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearson Mary E.
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eingedrungen sind, aber heute geht wirklich alles schief. Erst wurden Destinys Tante Edie alle vier Reifen geklaut …«
    »Tante Edie?« Mr Anwalter schaut erst Seth an und dann mich. »
Destiny!
Sie ist doch nicht etwa wieder auf der Bildfläche erschienen, oder?«
    »Regen Sie sich ab. Sie ist nicht wiederaufgetaucht. Ich will nur eine kleine Hausführung für meine Freunde veranstalten. Können Sie uns ganz kurz allein lassen?« Er verschränkt die Arme und wiegt pro forma das Haupt. Ich setze hinzu: »Sozusagen um der alten Zeiten willen.«
    Er lässt die Arme wieder sinken und nickt widerstrebend. Dann tritt er auf mich zu und gibt mir ungeschickt einen Kuss aufs Haar. »Alles Gute zum Geburtstag, Destiny!«, raunt er. Ich mache ganz kurz die Augen zu, worauf das Engegefühl in meinem Hals sofort auf meine Brust übergreift. Mr Anwalter tritt ein Stück zurück. »Ich habe heute eine Kleinigkeit für dich nach Hedgebrook liefern lassen. Schade, dass du nicht da warst, um sie in Empfang zu nehmen.«
    »Sie wissen doch, dass ich meinen Geburtstag nicht feiere.«
    »Ich finde aber, es wäre langsam Zeit, dass du’s tust.«
    »Wir fahren gleich wieder. Mrs Wicket hat mir das Geschenk bestimmt aufgehoben.«
    Er schmunzelt. »Aber haltet euch ran. Escrow wird heute zugemacht. Der Makler kommt nachher und macht die letzten Papiere fertig.« Er senkt die Stimme. »Und bitte keine Szene oder dergleichen, klar?«
    »Sie brauchen nicht zu flüstern, meine Freunde hören alles mit, Mr Anwalter«, entgegne ich im Flüsterton.
    »Soso.«
    »Wiedersehen, Mr Anwalter.« Seth schüttelt ihm die Hand wie einem alten Kumpel. Cool wie immer.
    »Edward. Edward Farrell«, stellt Mr Anwalter richtig. »Den Spitznamen ›Mr Anwalter‹ hat sich Destiny ausgedacht. Ich habe mich inzwischen dran gewöhnt.«
    »Ach so, verstehe.« Dabei versteht er gar nichts. Der supercoole Seth ist verdattert. Manchmal mag ich es, ich zu sein. Nicht oft. Aber manchmal.
    Auch Aidan und Mira verabschieden sich, dann gehen wir alle vier zur Treppe.
    »Warum nennst du ihn ›Mr Anwalter‹, wenn er in Wirklichkeit Farrell heißt?«, will Seth wissen.
    »Er hat gelogen. Er heißt wirklich ›Anwalter‹ mit Nachnamen. Sogar meine Eltern reden ihn so an. Man darf nicht immer alles glauben, was einem die Leute so erzählen.«
    »Ich fand ihn eigentlich ganz nett«, sagt Mira skeptisch. »Ich hätte ihm gar nicht zugetraut, dass er lügt.«
    »Er ist ja auch nett. Aber auch nette Leute lügen manchmal, hast du das noch nicht kapiert? Los, kommt. Wir müssen uns beeilen, bevor wir rausgeschmissen werden. Das ist in diesem Haus so üblich.«
    Ich gehe die Treppe hoch, erkenne das Muster des Marmors wieder, das sich mir eingeprägt hat, erinnere mich, dass ich als Kind Figuren darin gesehen habe. Ein Pferd, eine Hexe, ein Flugzeug. Jetzt sehe ich keine Figuren mehr, nur grauweiße Schlieren. Die anderen trappeln ein Stück hinter mir die Stufen hoch, aber ich höre trotzdem, wie Mira staunend nach Luft schnappt, wie Aidan ihr etwas zuflüstert. Auch Seth gibt ab und zu einen gedämpften Kommentar ab.
    »Das ist echt riesig!«
    »Hast du das Wohnzimmer gesehen?«
    »Der reinste Ballsaal.«
    »Das
war
ein Ballsaal!«
    »In den Palast passt ja unser ganzes Internat rein.«
    »Warum sind ihre Eltern hier weggezogen?«
    »Scheint schon länger her zu sein.«
    »Glaub ich nicht.«
    »Oder sie haben eine total faule Putzfrau.«
    »Hast du die Spinnweben am Kronleuchter gesehen?«
    »Nicht so laut. Sonst hören dich die Eltern vielleicht.«
    »Ich glaub nicht, dass die zu Hause sind. Hier ist nur dieser Typ, dieser Farrell.«
    Mira holt mich ein. »Wo wollen wir eigentlich hin, Des?«
    »Hab ich doch schon gesagt. In mein Zimmer.«
    Wir gehen einen breiten Flur entlang. Am Elternschlafzimmer vorbei. Am Zimmer des Kindermädchens. Am Spielzimmer. Dann stehen wir vor der Tür zu meinem Zimmer. Wenn es noch mein Zimmer ist. Wenn nicht jemand die Einrichtung genauso weggeräumt hat wie die ehemalige Bewohnerin.
    Als ich den Knauf drehe und die Tür aufdrücke, habe ich Angst, dass ich gleich in Tränen ausbreche oder sonst irgendwas Peinliches veranstalte, aber das Gegenteil ist der Fall. Ich bin sofort von der Lebensfreude überwältigt, die in diesem Zimmer einst herrschte, fühle mich wie ein Kind, das jemand durch die Luft schwenkt und Huckepack nimmt. Alles ist noch genauso wie früher. Genau so, wie ich es in Erinnerung hatte, nur viel schöner. Alle Möbel stehen

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