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Ein Tag wie ein Leben

Ein Tag wie ein Leben

Titel: Ein Tag wie ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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planvollen Ordnung zu gehorchen. Für mich sah es aus wie eine gelungene, gleichwertige Zusammenarbeit von Mensch und Natur, die
in der wilden Schönheit der umgebenden Landschaft fast wie eine
Provokation wirkte.
Wir landeten schließlich in der Laube beim Rosengarten. Ich hatte
Jane damals schon sehr lieb gewonnen, war mir aber noch nicht sicher, ob wir eine gemeinsame Zukunft vor uns hatten. Wie gesagt,
ich wollte unbedingt eine gut bezahlte Anstellung finden, ehe ich
mich auf eine ernsthafte Beziehung einließ. Mein juristisches
Staatsexamen stand erst in einem Jahr an, und irgendwie kam es mir
unfair vor, Jane zu bitten, so lange auf mich zu warten. Ich ahnte
damals natürlich noch nicht, dass ich eine Stelle in New Bern bekommen würde. Für die nächsten Monate hatte ich schon Bewerbungsgespräche in Atlanta und in Washington, D.C. in meinen Terminkalender eingetragen, wohingegen sich Jane entschlossen hatte,
wieder nach Hause zu ziehen.
Jane machte es mir allerdings schwer, meine Pläne konsequent zu
verfolgen. Sie war sehr gern mit mir zusammen, das spürte ich.
Wenn ich ihr etwas erzählte, hörte sie immer interessiert zu, es machte ihr Spaß, mich zu necken, und wenn wir gemeinsam irgendwo
hingingen, nahm sie stets meine Hand. Als sie es das erste Mal tat,
fand ich es sofort sehr schön. Es klingt vielleicht albern, aber wenn
sich ein Paar an der Hand hält, fühlt es sich entweder richtig an oder
nicht. Ich glaube, das hat damit zu tun, wie die Finger ineinander
greifen und ob der Daumen an der passenden Stelle liegt. Als ich
Jane meine These darlegte, lachte sie und fragte mich, weshalb ich
unbedingt eine Theorie des Händchenhaltens entwickeln müsse.
An jenem Tag nun, dem Tag nach ihrer Abschlussprüfung, nahm
sie wieder meine Hand und erzählte mir zum ersten Mal die Geschichte von Allie und Noah. Die beiden hatten sich als Teenager
kennen gelernt und sich gleich ineinander verliebt, doch dann zog
Allie weg, und die nächsten vierzehn Jahre hatten sie keinen Kontakt. Sie verloren sich völlig aus den Augen. Noah arbeitete in New
Jersey, wurde Soldat im Zweiten Weltkrieg und kehrte erst danach
wieder nach New Bern zurück. Allie verlobte sich in der Zwischenzeit mit einem anderen Mann. Kurz vor ihrer Hochzeit traf sie jedoch
noch einmal mit Noah zusammen und merkte, dass sie immer nur ihn
geliebt hatte. Schließlich löste sie ihre Verlobung und blieb in New
Bern.
Jane und ich hatten uns schon sehr viel gegenseitig erzählt, aber
diese Geschichte kannte ich noch nicht. Damals hat sie mich allerdings bei weitem nicht so stark berührt wie heute, was wahrscheinlich mit meinem Alter zusammenhängt. Aber ich spürte, wie viel sie
Jane bedeutete, und fand es wunderbar, dass ihre Eltern ihr so wichtig waren. Ihr kamen sogar die Tränen. Zuerst tupfte sie sich die Augen mit einem Taschentuch trocken, aber plötzlich schien es ihr
gleichgültig zu sein, ob ich sie weinen sah oder nicht. Für mich war
das ein enormer Vertrauensbeweis, den sie sicher nicht vielen Menschen zuteil werden ließ. Ich selbst weine leider so gut wie nie. Ich
glaube, das wurde Jane klar, als sie mit ihrer Geschichte fertig war.
»Tut mir Leid, dass ich geweint habe«, sagte sie leise. »Aber ich
wollte dir diese Geschichte schon die ganze Zeit erzählen. Ich habe
nur den richtigen Moment am richtigen Ort abgewartet.«
Sie umklammerte meine Hand, als wolle sie mich nie mehr loslassen.
Ich blickte in die Ferne. Mir war schwer ums Herz, ein Gefühl, das
ich so kaum kannte. Alles um mich herum nahm ich plötzlich mit
überdeutlicher Klarheit wahr, jedes Blütenblatt, jeder Grashalm prägte sich mir ein. Die Sonnenstrahlen malten tanzende Bilder auf den
Boden. Im Hintergrund sah ich, wie sich Janes Familie auf der Veranda versammelte.
»Vielen Dank, dass du es mir erzählt hast«, flüsterte ich, und als ich
Jane wieder anschaute, wusste ich endlich, was es heißt, einen Menschen zu lieben.
    Noah saß wie immer auf seiner Bank am Teich.
»Hallo, Noah.«
»Oh, hallo, Wilson.« Er schaute hinaus aufs Wasser. »Wie schön,
dass du mich besuchen kommst.«
    Ich stellte die Tüte mit dem Toastbrot auf den Boden. »Wie geht’s
denn so?«
»Könnte besser sein. Könnte aber auch wesentlich schlechter sein.«
Ich setzte mich neben ihn. Der Schwan schien sich nicht vor mir zu
fürchten, er blieb ganz in unserer Nähe im flachen Wasser.
»Hast du Jane schon gesagt, dass wir die Hochzeit im Haus feiern
können?«,

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