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Ein Tag wie ein Leben

Ein Tag wie ein Leben

Titel: Ein Tag wie ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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um.
Sie ist auch schon ziemlich weitsichtig und kann nicht mehr gut ohne
Brille lesen, weshalb sie oft den Kopf zurücklehnen und die Zeitschrift weiter weg halten musste. Hin und wieder flüsterte sie etwas,
und ich wusste, dass sie sich ausmalte, wie das auf dieser Seite abgebildete Kleid Anna stehen würde.
Wie schön und ausdruckvoll ihr Gesicht doch war! Ich dachte daran, dass es eine Zeit gegeben hatte, in der ich dieses Gesicht immer
wieder küsste, jedes Fältchen, jede einzelne Pore. Ich habe nie jemanden so geliebt wie dich, wollte ich ihr sagen, aber mein gesunder
Menschenverstand hielt mich zurück. Diesen Satz sollte ich lieber für
eine bessere Gelegenheit aufsparen, wenn sie mir zuhörte und die
Worte vielleicht sogar erwiderte.
Ich hätte sie den ganzen Abend betrachten können, aber dann wurde ich doch müde. Erfahrungsgemäß würde Jane noch mindestens
eine Stunde aufbleiben. Die Seiten mit den umgeknickten Ecken
würden ihr keine Ruhe lassen, sie musste sie bestimmt ein zweites
Mal studieren, und außerdem hatte sie noch nicht einmal die erste
Zeitschrift durch.
»Jane?«
»Hmmmm?«, antwortete sie automatisch.
»Ich habe eine Idee.«
»Und die wäre?« Sie schaute immer noch auf ein Brautkleid.
»Ich weiß, wo wir feiern könnten.«
Endlich war es mir gelungen, zu ihr durchzudringen. Sie musterte
mich fragend.
»Es ist vielleicht nicht perfekt, aber wir hätten keine Probleme mit
der Reservierung«, sagte ich. »Man kann raus ins Freie, und es gibt
jede Menge Parkplätze. Und Blumen. Tausende von Blumen.«
»Wo?«
Ich zögerte.
»In Noahs Haus. In der Laube beim Rosengarten.«
Jane öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Sie blinzelte ein
paar Mal, als könne sie nicht richtig sehen. Doch dann, ganz, ganz
langsam, erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht.
K
APITEL 6
    Am nächsten Morgen bestellte ich die Smokings und begann, die
Freunde und Nachbarn auf Annas Gästeliste anzurufen. Die meisten
reagierten genauso, wie ich es erwartet hatte. Selbstverständlich
kommen wir!, sagte ein Paar. Das würden wir uns nicht entgehen
lassen, um nichts in der Welt!, sagte ein anderes. Alle waren ausgesprochen freundlich, aber ich beendete die Gespräche trotzdem immer sehr zügig und war schon vor zwölf fertig.
    Jane und Anna wollten an jenem Vormittag Blumen für die verschiedenen Sträuße aussuchen. Für später am Tag hatten sie geplant,
sich Noahs Haus anzusehen und zu entscheiden, ob die Feier dort
stattfinden konnte. Wir hatten verabredet, uns vor dem Haus zu treffen. Da ich also noch ein paar Stunden zur freien Verfügung hatte,
beschloss ich, nach Creekside zu fahren. Unterwegs besorgte ich wie
immer im Supermarkt drei Packungen Wonderbread.
    Die ganze Zeit über sah ich Noahs Haus von mir. Wie lange war es
her, dass ich ihm den allerersten Besuch abgestattet hatte?
Jane und ich waren schon sechs Monate zusammen, als sie mich
das erste Mal zu ihren Eltern mitnahm. Im Juni hatte sie ihren Abschluss am Meredith College gemacht, und nach der offiziellen Zeremonie fuhren wir in meinem Wagen hinter ihren Eltern her nach
New Bern. Jane war die Älteste von vier Kindern, die in einem Zeitraum von nur sieben Jahren zur Welt gekommen waren. Als wir ausstiegen, konnte ich ihren Gesichtern ansehen, dass sie nicht recht
wussten, wie sie mich einordnen sollten. Während der Abschlussfeier
hatte ich bei Janes Familie gestanden, und als Allie sich zwischendurch ganz selbstverständlich bei mir unterhakte, war ich richtig verlegen geworden. Wie gern hätte ich gewusst, was für einen Eindruck
ich auf die Familie machte!
Jane spürte meine Nervosität. Deshalb schlug sie vor, doch zuerst
einen kleinen Spaziergang zu machen. Die betörende Schönheit der
flachen, weiten Ebene wirkte beruhigend auf mich. Der Himmel war
blitzblau, die Luft war weder so kühl wie im Frühling noch so heiß
wie im Sommer. Noah hatte im Laufe der Jahre Tausende von Blumenzwiebeln gesetzt, und am Zaun entlang blühten büschelweise
Lilien in den leuchtendsten Farben. Und dann diese wunderschönen
alten Bäume, jeder in einem anderen Grün -und überall zwitscherten
die Vögel! Was mich jedoch ganz besonders begeisterte, selbst aus
der Ferne, war der Rosengarten: fünf konzentrische Herzen - die
höchsten Büsche in der Mitte, die niedrigsten außen am Rand -, ein
berauschendes Meer aus Rot, Pink, Orangerot, Gelb und Weiß. Das
farbliche Arrangement wirkte beliebig, schien aber gleichzeitig einer

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