Ein Tag wie ein Leben
Tische da sind. Das Büfett können wir
neben den Fenstern aufbauen, und vor dem Kamin sollte Platz frei
bleiben, damit man tanzen kann.«
»Tanzen? Aber wir haben doch gar keine Musik.«
»Ich weiß, aber der Punkt ›Musik‹ steht auch auf meiner Liste für
heute. Zuerst will ich mich um eine Reinigungsfirma bemühen, dann
spreche ich mit dem Chelsea den Speiseplan ab - und anschließend
bleibt mir sicher noch Zeit für die musikalische Untermalung.«
»Du klingst, als hättest du das alles schon genau durchdacht.«
»Was glaubst du, was ich gemacht habe, während ich durch die
Straßen gejoggt bin?«
»Gekeucht, gehechelt, geschwitzt.«
Ich lachte. »Hör zu - ich bin gut in Form. Heute habe ich sogar einen anderen Läufer überholt.«
»War es wieder der alte Mann mit der Gehhilfe?«
»Ha, ha!« Ich spielte den Gekränkten, aber eigentlich gefiel es mir,
wenn sie mich aufzog. Gab es einen Zusammenhang zwischen ihrem
Verhalten jetzt und den Blicken von gestern Abend? Dass sich irgendetwas verändert hatte, war keine Einbildung meinerseits, so viel
war sicher, auch wenn ich den Grund nicht benennen konnte.
»Übrigens - vielen Dank, dass du Frühstück für uns beide gemacht
hast.«
»Das ist doch das Mindeste, was ich für dich tun kann. Du hast mir
diese Woche schon so viel geholfen. Und du hast zweimal nacheinander Abendessen gekocht.«
»Ja, stimmt. Ich bin schon fast ein Heiliger.«
»So weit würde ich nicht gehen.«
»Ach, nein?«
»Nein. Aber ohne dich wäre ich inzwischen sicher schon durchgedreht.«
»Und du wärst verhungert.«
Sie lächelte. »Ich brauche deinen Rat«, sagte sie. »Was hältst du
von einem ärmellosen Kleid? Mit einer gefassten Taille und einem
halblangen Schleier?«
Ich stützte nachdenklich das Kinn auf. »Klingt nicht übel«, sagte
ich. »Aber ich glaube, in einem Smoking würde ich besser aussehen.«
Jane verdrehte die Augen, und ich hob unschuldig die Hände.
»Ach - du meinst, für Anna!«, sagte ich. Dann zitierte ich Noah:
»Egal, was sie trägt - sie wird sehr hübsch aussehen.«
»Also - du hast keine Meinung dazu.«
»Ich weiß doch nicht mal richtig, was eine gefasste Taille ist.«
»Männer!«, stöhnte sie.
»Du hast Recht - es ist ein Wunder, dass wir nicht schon längst
ausgestorben sind.«
Dr. Barnwell rief kurz nach acht an. Noah gehe es den Umständen
entsprechend ausgezeichnet, berichtete er, sie hätten vor, ihn im Verlauf des Tages oder spätestens am nächsten Morgen zu entlassen. Mit
einem Seufzer der Erleichterung reichte ich den Hörer an Jane weiter. Sie hörte andächtig zu, während der Arzt seine Informationen
wiederholte. Dann rief sie Noah an, der ihr zuredete, sie solle ruhig
mit Anna nach Greensboro fahren.
»Ich glaube, ich muss ein paar Sachen zusammenpacken«, sagte
sie, nachdem sie aufgelegt hatte.
»Gute Idee.«
»Aber es wäre mir lieber, wenn wir hier und heute fündig würden.«
»Klar - aber falls nicht, dann genieße es trotzdem. Die Gelegenheit
kommt nicht wieder.«
»Na ja - wir haben immerhin noch zwei Kinder!«, sagte sie lachend. »Das hier ist erst der Anfang.«
»Das wollen wir doch hoffen!«
Eine Stunde später fuhr Keith vor. Anna stieg aus, ein kleines Köfferchen in der Hand. Jane war noch oben, um ihre Sachen zu packen,
und ich öffnete die Haustür, als meine Tochter, wie immer in
Schwarz, den Weg entlang kam. »Hi, Daddy!«, rief sie.
Ich trat auf die Veranda. »Hallo, Liebling. Wie fühlst du dich?«
Sie stellte ihren Koffer ab und umarmte mich.
»Hervorragend«, sagte sie. »Die Vorbereitungen machen mir unheimlich Spaß. Zuerst war ich ja nicht sehr begeistert, aber eigentlich
finde ich jetzt alles sehr lustig. Mom blüht richtig auf. Du müsstest
sie sehen, wie sie durch die Geschäfte zieht! Ich hab sie schon lange
nicht mehr so munter und vergnügt erlebt.«
»Wie schön.«
Anna lächelte, und ich war wieder einmal verblüfft, wie erwachsen
sie aussah. Dabei war es doch noch gar nicht lange her, dass ein kleines Mädchen mit großen dunklen Augen vor mir stand. Wo war nur
die Zeit geblieben?
»Ich kann es kaum erwarten!«, flüsterte sie.
»Mir geht es genauso.«
»Schaffst du es, das Haus entsprechend herzurichten?«
Ich nickte.
Sie schaute sich um, und an ihrem Gesichtsausdruck konnte ich ablesen, was jetzt kommen würde.
»Wie läuft es zwischen dir und Mom?«
Diese Frage hatte sie mir das erste Mal gestellt, nachdem Leslie ein
paar Monate auf dem College war. Im vergangenen Jahr
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