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Ein Tag wie ein Leben

Ein Tag wie ein Leben

Titel: Ein Tag wie ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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hatte sie
sich in regelmäßigen Abständen nach unserem Befinden erkundigt -
allerdings nie, wenn Jane in der Nähe war. Zuerst hatte mich die Frage verunsichert, aber inzwischen war ich schon darauf gefasst.
    »Gut.« Das war meine Standardantwort, aber ich wusste, dass Anna
mir nicht immer glaubte.
Diesmal jedoch fiel sie mir um den Hals und flüsterte: »Ich hab
dich lieb, Daddy!«
»Ich dich auch, mein Schatz.«
»Mom hat wirklich Glück mit dir«, sagte sie. »Vergiss das nie.«
    »Okay«, sagte Jane. »Dann werde ich mich jetzt mal auf den Weg
machen.« Wir standen noch in der Einfahrt, während Anna schon im
Auto wartete. »Du rufst mich an, wenn irgendetwas ist - versprochen?«
    »Großes Ehrenwort«, sagte ich. »Und gib Leslie einen Kuss von
mir.«
Man ahnte schon wieder die Gluthitze, die Luft war feucht und
schwer.
»Macht euch einen schönen Tag«, murmelte ich. Es fiel mir
schwer, sie gehen zu lassen.
Jane nickte und ging zum Wagen. Ich folgte ihr mit den Augen. Sie
war immer noch eine extrem attraktive Frau, die jedem Mann den
Kopf verdrehen konnte. Wie war es möglich, dass ich ein älterer Herr
geworden war, während ihr die Zeit anscheinend nichts anhaben
konnte? Ich vermochte es mir nicht zu erklären. Irgendwie war es
mir auch egal - aber ehe ich mich bremsen konnte, waren die Worte
schon heraus:
»Du bist wunderschön«, murmelte ich.
Jane drehte sich überrascht um. Ich hätte ihre Antwort abwarten
können, aber stattdessen tat ich etwas, was ich schon lange nicht
mehr getan hatte, was mir früher jedoch absolut natürlich erschienen
wäre. Ich ging zu ihr und küsste sie auf den Mund.
Dieser Kuss war anders als unsere Küsse sonst. Seit langem hatten
wir uns immer nur schnell und oberflächlich geküsst, wie gute Bekannte, die sich freundschaftlich begrüßen. Aber dieser Kuss war
voller Leben, voller Leidenschaft. Als wir uns trennten und ich ihr
Gesicht sah, wusste ich, dass ich genau das Richtige getan hatte.
K
APITEL 11
    Der Kuss ging mir den ganzen Tag nicht aus dem Sinn.
Schon bald nach dem Abschied stieg ich in meinen eigenen Wagen,
um mein Tagesprogramm zu beginnen. Ich fuhr kurz zum Supermarkt und dann weiter nach Creekside. Allerdings ging ich nicht
direkt zum Teich, sondern schaute vorher in Noahs Zimmer vorbei.
Wie immer roch es auf den Fluren nach Putz- und Desinfektionsmittel. Die Fliesen und die langen Korridore erinnerten mich an das
Krankenhaus, und als ich einen Blick in den Gemeinschaftsraum
warf, fiel mir auf, dass nur wenige Stühle belegt waren. In der Ecke
spielten zwei Männer Mühle, ein paar Leute sahen fern. Eine
Schwester saß mit gesenktem Kopf hinter einem Schreibtisch, sie
bemerkte mich gar nicht.
Der plärrende Fernseher verfolgte mich regelrecht, und ich war
froh, als ich in Noahs Zimmer die Tür hinter mir zumachen konnte.
Viele der Bewohner hier gaben ihren Räumen keine persönliche Note, aber Noah hatte sein Zimmer gestaltet, es wirklich zu seiner Heimat gemacht. Über seinem Sessel hing ein Gemälde von Allie, ein
See mit Seerosen in einem wunderschönen Garten. Die Szenerie erinnerte stark an Monet. Auf den Regalen standen gerahmte Fotos von
den Kindern und von Allie, andere waren mit Reißnägeln an der
Wand befestigt. Noahs Strickjacke lag auf dem Bett, und in der Ecke
befand sich der alte Sekretär, der früher im Familienwohnzimmer
gestanden hatte. Ursprünglich hatte er Noahs Vater gehört, und man
sah ihm sein Alter an, überall Kratzer, Schrammen und Tintenflecken
- bis heute benutzt Noah einen altmodischen Füllfederhalter.
Ich wusste, dass Noah abends immer an diesem Schreibtisch saß. In
den Schubladen befanden sich die Schätze, die er über alles liebte:
das Notizbuch, in dem er die Liebesgeschichte mit Allie festgehalten
hatte, seine in Leder gebundenen Tagebücher, deren Seiten schon
vergilbten, die unzähligen Briefe, die er und Allie sich im Laufe der
Jahre geschrieben hatten, sowie ihr allerletzter Brief. Außerdem getrocknete Blumen, Zeitungsausschnitte über Allies Ausstellungen,
besondere Geschenke von den Kindern und Walt Whitmans Gedichtband Grashalme, der ihn schon durch den Zweiten Weltkrieg
begleitet hatte.
Wahrscheinlich machten sich meine Anwalt-Antennen bemerkbar -
jedenfalls fragte ich mich, was aus all diesen Dingen werden sollte,
wenn Noah einmal nicht mehr unter uns war. Wie konnte man diese
Erinnerungsstücke unter seinen Kindern verteilen? Die einfachste
Lösung war immer, wenn alle

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