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Ein Tag wie ein Leben

Ein Tag wie ein Leben

Titel: Ein Tag wie ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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gleich viel bekamen, aber das war in
diesem Fall ja nicht möglich. Wer würde das Notizbuch bei sich zu
Hause aufbewahren? Wessen Kommode würde die Briefe oder die
Tagebücher aufnehmen? Geld und Wertstücke aufzuteilen war gar
nicht so schwierig - aber was war mit den Schätzen des Herzens?
Die Schubladen waren nicht abgeschlossen. Noah würde in ein,
zwei Tagen wieder hier sein, aber ich suchte trotzdem ein paar Kleinigkeiten zusammen, von denen ich annahm, dass er sie im Krankenhaus gern bei sich hätte.
Im Vergleich zu den klimatisierten Räumen des Heims war die Luft
draußen schwül und drückend. Mir brach sofort der Schweiß aus.
Der Park war wie immer menschenleer. Ich ging den Kiesweg entlang und hielt dabei Ausschau nach der Wurzel, über die Noah gestolpert war. Ich entdeckte sie nicht gleich - sie gehörte zu einem
riesigen Magnolienbusch und schlängelte sich über den Weg. Ich
musste an eine Kobra denken, die ein Sonnenbad nimmt.
Wie ein Spiegel reflektierte der Teich den Himmel, und einen Moment lang ließ ich mich von den Wolken verzaubern, die träge über
das Wasser zogen. Es roch ein bisschen nach Salzwasser. Sobald ich
mich auf die Bank setzte, tauchte in der Ferne der Schwan auf und
kam langsam auf mich zugeschwommen.
Ich öffnete die Packung Wonderbread, rupfte die erste Scheibe in
kleine Stückchen, so wie Noah es immer machte, und warf ein Stück
ins Wasser. Stimmte es, was Noah im Krankenhaus gesagt hatte?
War der Schwan tatsächlich die ganze Zeit bei ihm geblieben? Ich
zweifelte nicht daran, dass er, als er wieder zu sich kam, den Schwan
gleich gesehen hatte - die Schwester, die ihn gefunden hatte, konnte
es bestätigen -, aber hatte der Schwan wirklich bei ihm Wache gehalten? Niemand wusste es mit Sicherheit, doch tief in meinem Inneren
glaubte ich daran.
Allerdings war ich nicht bereit, Noah noch weiter zu folgen. Der
Schwan war bei ihm geblieben, weil Noah ihn immer fütterte und
sich um ihn kümmerte, er war wie ein Haustier. Aber mit Allie oder
mit Allies Geist hatte das nichts zu tun. So etwas konnte ich mir
beim besten Willen nicht vorstellen.
Der Schwan beachtete das Brot gar nicht, sondern schaute mich nur
an. Sehr eigenartig. Als ich das zweite Stück ins Wasser warf, musterte er es kurz und wandte sich dann wieder mir zu.
»Nun friss schon«, murmelte ich. »Ich habe nicht den ganzen Tag
Zeit.«
Unter der Wasseroberfläche konnte ich die Füße des Schwans sehen: Er paddelte langsam hin und her, um an derselben Stelle zu
bleiben.
»Mach schon«, drängte ich leise. »Du kennst mich doch - ich habe
dich früher schon mal gefüttert.«
Ich warf ein drittes Stück Brot ins Wasser, es landete mit einem
sanften Plopp direkt vor ihm. Aber wieder reagierte der Schwan
kaum.
»Hast du denn keinen Hunger?«, fragte ich.
In dem Moment hörte ich, wie hinter mir zischend der Rasensprenger anging. Ich warf einen Blick hinauf zu Noahs Fenster, in dem
sich die Sonne spiegelte. Was sollte ich tun? Mir blieb nichts anderes
übrig, als es mit einem vierten Bröckchen zu probieren. Ohne Erfolg.
»Er hat gesagt, ich soll hierher kommen.«
Der Schwan streckte den Hals und plusterte die Flügel. Plötzlich
wurde mir klar, dass ich genau das machte, was alle an Noah so befremdlich fanden: Ich redete mit dem Schwan, als könne er mich
verstehen.
Als wäre er Allie?
Natürlich nicht! Der Gedanke lag mir absolut fern. Die Menschen
redeten doch auch mit Hunden und Katzen, sie redeten mit Pflanzen,
und manchmal schrien sie ihren Fernseher an, vor allem bei Sportwettkämpfen oder Baseballspielen. Jane und Kate brauchten sich
eigentlich gar keine Sorgen zu machen. Noah saß jeden Tag stundenlang auf dieser Bank - da wäre es eher Besorgnis erregend gewesen,
wenn er nicht mit dem Schwan sprechen würde!
Andererseits - dass er mit ihm redete, mochte ja ganz normal sein,
aber dass er glaubte, Allie sei zu ihm zurückgekommen? Und davon
war Noah immerhin felsenfest überzeugt.
Die Brotstückchen waren verschwunden. Sie hatten sich mit Wasser voll gesogen und waren untergegangen. Doch der Schwan ließ
mich immer noch nicht aus den Augen. Ich versuchte mein Glück ein
letztes Mal, und als der Schwan auch dieses Stück Brot ignorierte,
beschloss ich, meine Taktik zu ändern. Ich schaute mich um, weil ich
sicher sein wollte, dass mich niemand beobachtete. Ich musste es
versuchen. Warum auch nicht? Es war meine einzige Chance. Ich
beugte mich vor und fing an, mit leiser

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