Ein toedlicher Plan
hefte Akten ab und tippe Texte.«
»Und den hausinternen Gerüchten zufolge …«, er legte eine Kunstpause ein, und Taylor sah ihn fragend an, »… sind Sie nicht auf den Kopf gefallen.«
»So, sagt man das über mich?«, entgegnete Taylor, legte die Stirn in Falten und fühlte sich zutiefst geschmeichelt.
»Werden Sie mir helfen?«
Taylor sah zum Fenster hinaus und spürte, wie seine Augen von ihrem Gesicht zu den Brüsten und den Beinen wanderten. Aber diesmal empfand sie nicht wie üblich Widerwillen, sondern eine kurze, angenehme Verkrampfung im Unterleib. Die Sonne verschwand hinter einer dicken Wolke, und der Himmel wurde so dunkel wie sein Spiegelbild auf dem unruhigen Hafenwasser.
»Ich liebe schöne Aussichten«, sagte Taylor. »Von meiner Wohnung aus hat man einen wundervollen Blick auf das Empire State Building. Man muss sich dazu nur ungefähr einen Meter weit aus dem Badezimmerfenster lehnen.«
»Und ich halte Sie jetzt davon ab, den Blick auf die Berggipfel zu genießen.«
»Meistens stehe ich auf dem Gipfel und verfolge, wie der Blue Shield sich aus den Wolken hebt.«
Beide schwiegen einen Moment. Reece fuhr sich mit den Händen durchs Haar und rieb sich dann wieder die Augen. Taylor unterdrückte erneut das Bedürfnis zu gähnen. Die Uhr auf dem Schreibtisch tickte leise.
»Ich werde Ihnen helfen«, sagte Taylor schließlich. »Ich habe zwar keine Ahnung, was ich tun soll, aber ich will es wenigstens versuchen.«
Er beugte sich abrupt vor und hielt mitten in der Bewegung inne. In Kanzleien gibt es ein Keuschheitsgebot. Was auch immer sich in Hotelzimmern oder Apartments abspielte, innerhalb der Kanzleiwände war nicht einmal ein Küsschen auf die Wange gestattet. So beschränkte sich Reece darauf, seine Dankbarkeit dadurch auszudrücken, dass er Taylors Hände in die seinen nahm. Sie spürte eine besondere Spannung oder Hitze zwischen seinen Händen und den ihren.
»Ich schätze, die erste Frage muss lauten: Haben Sie irgendeine Vorstellung, was sich hier abgespielt hat?«, sagte sie und zog ihre Hände unter den seinen hervor.
»Nun, die Bank hat den Boten mit dem Wechsel am Freitag um fünfzehn Uhr losgeschickt …«
Zu der Zeit habe ich mir eine Soap-Opera angeschaut und dabei ein dickes Sandwich mit Truthahnfleisch und Salat verdrückt, dachte sie.
»Gegen sechzehn Uhr habe ich das Papier in meinem Aktenschrank eingeschlossen. Ich habe den ganzen Freitag und Samstag hier gearbeitet. Als ich um zwanzig Uhr Schluss gemacht habe, war es noch an seinem Platz. Doch als ich am Sonntag um neun Uhr morgens wieder hierher kam, war der Wechsel fort.«
»Ist Ihnen am Samstag irgendjemand aufgefallen?«
»Ich habe die ganze Zeit Abschriften studiert. Natürlich waren außer mir noch andere in der Kanzlei, aber ich kann mich nicht mehr an sie erinnern. Und gesprochen habe ich an dem Tag mit niemandem.«
»Wer in der Bank weiß davon, dass das Papier sich in Ihren Händen befindet?«
»Nur der Vizepräsident, der den Kredit bearbeitet und genehmigt hat.«
»Könnte er es gestohlen haben?«
»Das ist mehr als unwahrscheinlich. Wenn die Bank nicht mittels des Wechsels an ihr Geld kommt, ist seine Karriere beendet.«
»Und wie steht es mit Ihrer Sekretärin?«
»Sie ist schon seit zwei Monaten im Mutterschaftsurlaub. Ich lasse alle meine Arbeiten vom Schreibbüro erledigen, bis sie wieder zurück ist.«
»Und wer im Haus ist darüber informiert, dass Sie diesen Fall bearbeiten?«
Reece lachte nur und schob ihr ein Blatt zu.
VON: M. A. Reece
AN: Alle Anwälte von Hubbard, White & Willis
Betr.: INTERESSENKONFLIKT
Ich vertrete unseren Klienten, die Banque Industrielle de Genève, in einer Klage gegen Hanover & Stiver, Inc. Bitte teilen Sie mir mit, ob Sie jemals Hanover & Stiver vertreten oder mit anderen Fällen zu tun haben, in die eine dieser Gesellschaften involviert ist, was zu einem Interessenkonflikt führen und die Interessen unserer Kanzlei berühren könnte.
»Bei diesem Schreiben handelt es sich um unser Standard-Konflikt-Memo. Wir verteilen es im ganzen Haus, um alle Anwälte wissen zu lassen, welche Firmen wir vertreten oder verklagen. Wenn irgendjemand bei Hubbard, White & Willis jemals Hanover & Stiver vertreten hat, muss ich die Sache fallen lassen. Um auf Ihre Frage zurückzukommen, jeder hier im Haus dürfte also Bescheid wissen, dass ich diesen Fall bearbeite. Und man braucht nur im Aktenraum die Kopien meines Schriftverkehrs durchzusehen, um sich
Weitere Kostenlose Bücher