Ein toedlicher Plan
Schluss, dass sie vor dem richtigen Gebäude stand. Es beunruhigte sie etwas, nicht die Apartmentnummer zu kennen, doch als sie die Lobby betrat, stellte sich heraus, dass die gar nicht erforderlich war.
»Im sechsten Stock«, gab ihr der Portier die gewünschte Auskunft.
»Und welches Apartment?«
Er sah sie verwundert an und antwortete dann: »Die ganze Etage.«
»Oh!«
Taylor trat durch den Privateingang, vor dem der mit Leder ausgeschlagene Fahrstuhl sie abgesetzt hatte. Einen Moment blieb sie vor dem Spiegel mit dem Messingrahmen stehen und ordnete ihr Haar. Das Foyer war in Dunkelrot gehalten, die Tapeten waren mit gelbweißen georgianischen Zierleisten versehen, die Bilderrahmen vergoldet, und die kleine Ziercouch hatte einen kostbaren Bezug. Überall sah man Putten, Säulen und Ornamente.
Eine Frau in einem marineblauen Blazer, deren Alter sich schwer schätzen ließ und die auch nicht mit dem kleinsten Lächeln reagierte, öffnete die Tür, bat Taylor zu warten und verschwand dann über den Flur. Taylor sah sich verstohlen um. Die Räume schienen vergrößerte Versionen der Diele zu sein. Sie schaute noch einmal in den Spiegel und musterte sich. Die Person, die sie dort sah, kam ihr dünner als erwartet vor. Dünner und … wie sollte sie es ausdrücken? Abgezehrter, abgemagerter, hagerer? Sie versuchte, ihr Gegenüber anzugrinsen, doch das wollte ihr nicht so recht gelingen. Seufzend fuhr sie sich mit den Fingern durchs Haar.
Ich bin gekommen, um Ihnen meine tief empfundene Anteilnahme zu übermitteln.
Ich bin gekommen, weil ich das Glück hatte, mit Ihrem Mann zusammenarbeiten zu dürfen.
Ich bin nur hier, um Ihnen zu sagen, dass Sie sich wegen des Todes Ihres Mannes keine grauen Haare wachsen lassen sollten. Immerhin hat er versucht, mir an die Wäsche zu gehen.
Ich bin hier, weil ich maßgeblichen Anteil am Tod Ihres Mannes hatte.
Ein Schatten fiel auf sie, und das Licht, das aus der offen stehenden Tür drang, wurde unterbrochen. Wendall Claytons Frau stand auf der Schwelle. Sie war Ende vierzig und trug eines dieser groß gemusterten Kleider, die Leute, welche in den Swinging Sixties aufgewachsen sind, mitunter heute noch bevorzugen. Sie hatte das glatte Haar zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Trotz der strengen Miene wirkte ihr Gesicht hübsch. Das Make-up, das sie trug, musste sie vor längerer Zeit aufgelegt haben, denn es zeigten sich bereits erste trockene Hautstellen. Ihre schmalen Füße steckten in schwarzen Pumps.
Die beiden Frauen gaben sich die Hände, und dann folgte Taylor ihr ins Wohnzimmer.
Warum um alles in der Welt tust du das? Was versprichst du dir eigentlich davon?
Mrs. Clayton saß aufrecht in einem unbequem wirkenden Sessel. Der Satinbezug zeigte Vögel, die über eine Moorlandschaft flogen. Unten standen Jäger in Gelb und in Grün, die auf die Vögel schossen. Würde die Witwe gleich auf das Gewehr eines der Jäger blicken und anfangen zu weinen?
Was willst du hier?
Männer von untadeligem Charakter, schon vergessen?
Mrs. Clayton fragte, ob sie Tee oder Kaffee möge. Taylor lehnte beides dankend ab. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie Rot trug und das Wohnzimmer nicht den Eindruck eines Trauerhauses machte. Der Raum war weihnachtlich festlich geschmückt, und in der Luft lag ein Duft nach Kiefernnadeln. Taylor sah Mrs. Claytons hochgezogene Braue und erkannte, dass ihre Miene weder Verbitterung noch Gram ausdrückte, sondern vielmehr Ungeduld.
»Ich habe mit Ihrem Mann zusammengearbeitet.«
»Ja.«
»Und ich bin nur gekommen, um Ihnen mein Mitgefühl auszudrücken.«
In diesem Moment wurde Taylor klar, dass sie zu nicht mehr in der Lage war, als die Worte über die Lippen zu bringen, die sie sich zuvor zurechtgelegt hatte. Während sie zusah, wie sich diese Frau (Taylor konnte sie sich beim besten Willen nicht als Claytons Ehepartnerin vorstellen) eine Zigarette anzündete, stiegen Donald Burdick und die Kanzlei wie Geister vor ihr auf, um ihr eiskalte Finger auf die Lippen zu legen. Taylor vermochte selbst hier in Wendalls Haus nicht das zu tun, was sie so verzweifelt hinter sich bringen wollte, nämlich alles offen zu legen. Sich endlich von der Seele zu reden, dass sie es gewesen war, die die furchtbaren Geheimnisse aufgedeckt und damit ein Stück weit, wenn nicht mehr, Claytons Tod verursacht hatte.
Nein, sie würde keine Beichte ablegen. Taylor wusste genau, was ihr die Zunge fesselte. Mit dem Ausgang dieser Geschichte hatte Hubbard, White & Willis
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