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Ein toedlicher Plan

Titel: Ein toedlicher Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Deaver
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kritzelt er: »Der König der Wall Street«. Dann geht er nach Hause, um das bisher Geschaffene auf seinem Synthesizer zu spielen.
    Und für alle anderen bei Hubbard, White & Willis – für die Anwälte, Anwaltsgehilfen und Assistenten, die Sekretärinnen und Botenjungen, das technische Personal und die Bibliothekare – dreht sich das Kanzleileben wie zuvor. Ein Mann ist gestorben, und das wird noch für einige Zeit Gegenstand von Getuschel und Gerüchten bleiben, aber wie eh und je strömen Klienten in das Haus, um ihre gierigen Forderungen oder tief sitzenden Ängste vorzutragen. Wie stets erhält jeder von ihnen fachmännischen Rat und darf dafür teuer, mitunter sehr teuer bezahlen.
    Ein Mann ist gestorben, doch der stille Pulsschlag der Kanzlei verändert deswegen nicht seine Geschwindigkeit.
    Taylor Lockwood fuhr an diesem grauen Nachmittag rasant, ja geradezu tollkühn Ski. Sie roch die reine Feuchtigkeit des Schnees und den beißenden Rauch eines Kaminfeuers. Doch heute hatte die schnelle Fahrt nicht mehr den befreienden Effekt wie noch am ersten Tag. Im Gegenteil, sie verlieh ihr das Gefühl von Verletzlichkeit und Angst. Und mehr noch, sie kam sich einsam und verlassen vor.
    Schon nach einer Abfahrt packte sie die Skier und Stiefel in den Leihwagen, fuhr zurück zum Hotel und begab sich an die Bar, wo sie sich mit Mitchell verabredet hatte. Sie bestellte einen Scotch pur, trank ihn rasch und ließ sich einen zweiten geben.
    Wo Taylor Lockwood vorsätzlich …
    Die Tür ging auf. Taylor hob den Kopf und sah ein junges Paar, das hinaus in den Schnee lief.
    … und im vollen Bewusstsein der Konsequenzen ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl oder eine sonstige Genehmigung das Büro des verstorbenen Wendall Clayton betrat und …
    Zu ihrer Überraschung und Enttäuschung stellte sie fest, dass sie sich nach dem zweiten Scotch noch kein bisschen betrunken fühlte. Sie bestellte einen dritten.
    … dort widerrechtlich einige seiner Dokumente in ihren Besitz brachte, um sie anderen bekannt zu machen, woraufhin in der Folge der geschädigte Verblichene …
    Taylor trank die angenehm betäubende Flüssigkeit und starrte im Spiegel auf die schwere Eichentür, die zur Lobby des Hotels führte.
    … keinen anderen Ausweg mehr sah, als sich das verdammte Hirn aus dem Kopf zu schießen.
    Reece öffnete die Tür, kam sofort zu Taylor, küsste sie auf den Mund und legte seine Arme um sie.
    »Hast du etwa schon ohne mich angefangen?«
    Er war draußen gewesen. Sie roch die kalte und frische Luft, die noch an ihm haftete. Als ihm bewusst wurde, dass seine kleine Frotzelei bei ihr keine Reaktion auslöste, nahm er die Arme herunter. Nachdem er sich auf den Barhocker gesetzt und sich ein Bier bestellt hatte, fragte er. »Wie war’s auf der Piste?«
    »Saukalt. Man friert sich alles ab.«
    Er verzog schmerzhaft das Gesicht, als er das Glas zum Mund hob.
    »Tut dir der Daumen immer noch weh?«
    »Ein bisschen. Ich sag dir, ich bin für so was einfach nicht geschaffen. Simple, sichere Sportarten …« Er suchte nach etwas Witzigem, etwas, das Taylor aufheitern würde, aber dann spürte er, dass sie sich in keiner guten Stimmung befand. »Was ist denn los mit dir?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Komm schon, erzähl es mir.«
    »Mitchell, kennst du dich in Geschichte aus?«
    Er gab ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, sie solle fortfahren.
    »Ist dir Star Chamber schon mal zu Ohren gekommen?«, fragte sie ihn.
    »Das war doch ein mittelalterliches Gericht in England. Warum?«
    »Auf dem College haben wir das im Geschichtsunterricht durchgenommen. Es handelte sich um ein Privileg des Königs. Zumindest bei den Tudors. Wenn der König den Eindruck hatte, ein normales Gericht wolle gegen ihn entscheiden, brachte er den Fall vor die Star Chamber. Dann wurde der Prozessgegner vor deren Sonderrichter gezerrt, in der Regel Freunde des Königs. Sie taten so, als würde hier ein richtiges Verfahren durchgeführt, aber der Betreffende wusste, was ihn erwartete. Wenn der König wollte, dass er schuldig gesprochen wurde, dann konnte ihn nichts und niemand davor bewahren, dann hieß es für ihn: Kopf ab. Eine ebenso rasche wie effiziente Form der Justiz.«
    Reece sah in sein Bier, schwenkte das Glas und stellte es auf den Tresen, ohne davon getrunken zu haben.
    »Himmel noch mal, Mitchell!«, platzte es aus ihr heraus. »Der Mann ist tot!«
    Er runzelte die Stirn. »Du gibst doch nicht etwa dir die Schuld daran?«
    Wut wallte in ihr auf.

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