Ein toedlicher Plan
Dutzend Rosen kaufte und dann loslief, um seinen Zug zu erreichen.
Überall Lächeln.
Freundliches, neugieriges, gönnerhaftes oder herabwürdigendes Lächeln, und hin und wieder eins, das ehrlich gemeint schien. Die gleichen nach oben gebogenen Lippen auf den Gesichtern von gut hundert vornehm gekleideten Menschen, die sich im Tempel von Dendra im Metropolitan Museum of Art versammelt hatten. Ägyptische Motive schienen im Manhattan Dekor nicht mehr so en vogue zu sein wie früher, aber die Wohltätigkeitsveranstaltung war für einen guten Zweck, und wichtiger noch, hier hatten sich auch einer der Watergate-Verschwörer, zwei Botschafter, ein ehemaliger Bürgermeister und diverse gerade äußerst beliebte Filmstars eingefunden.
Smokings und schwarze Abendkleider kreisten in dem exotischen Raum, in dem es nach Antike roch und die Luftfeuchtigkeit viel zu hoch war. Man unterhielt sich ungekünstelt übers Geschäft, über Reisen und über die Familie, und die Worte hallten von den grauen Steinblöcken des Tempels der Fruchtbarkeitsgöttin wider, die Gattin und Schwester eines Gottes zugleich gewesen war.
»Und Sie sind?«, fragte Ralph Dudley und nickte leicht, während er die Frau in den Fünfzigern mit dem ansprechenden Gesicht ansah. Ihr schwarzes Kleid wurde in der Mitte von einem Gürtel zusammengehalten, und sie hatte einen sinnlich geschwungenen Hals. An Schmuck trug sie etliche Ringe und eine dünne Diamantenhalskette.
»Amanda«, antwortete sie.
»Ralph Dudley.«
Dank seiner Intuition konnte er sich denken, um wen es sich bei ihr handelte. Dudley hatte genau verfolgt, wem sie gestattete, sie am Arm anzufassen, und wie ihre Blicke immer wieder besitzanzeigend zu einem der Direktoren von Amtrol, Inc., gewandert waren. Amtrol war einer der Sponsoren des heutigen Abends und wurde in der Fortune-Liste unter den hundert bedeutendsten Unternehmen aufgeführt. Noch wichtiger aber war, dass Amtrol sich gerade von seiner Rechtsvertretung getrennt (besser: sie gefeuert) hatte und auf der Suche nach einer neuen war. Donald Burdick hatte Dudley klar gemacht, dass es durchaus lohnend sein könnte, an der Cocktailparty teilzunehmen, auf der Gelder für die Obdachlosen von Kipp’s Bay aufgebracht werden sollten.
Er nahm Amandas lange, schlanke Hand und glaubte, leichte Vibrationen von ihrem fünfkarätigen Diamantring zu verspüren, der mit einem gelben Topas verziert war.
Dudley vermutete, dass ihr Mann der Direktor einer der wichtigsten Abteilungen von Amtrol war, möglicherweise sogar der Verantwortliche für die Unternehmungen in Europa. Ihre Körperhaltung drückte gallische Autorität aus, in ihrer Stimme schwang ein leichter romanischer Akzent mit, und die Art, wie sie mit den Kellnern umging (nicht zu vertraulich, aber auch nicht herablassend), zeigte Dudley, dass sie von klein auf den Umgang mit Bediensteten und Chauffeuren gewohnt war und sicher viele Jahre in Europa verbracht hatte. Den Ringen und der Halskette nach zu schließen, verdiente ihr Mann nicht schlecht – vererbten Reichtum traf man heute nur noch selten an. Und der Gentleman, den sie ständig im Blick behielt, war noch zu jung, um bereits der Aufsichtsratsvorsitzende oder gar der Präsident von Amtrol sein zu können.
Dudley betrachtete die graue Struktur des Tempels, der gewaltiger wirkte als Stonehenge. »Ich bin noch nie in Ägypten gewesen. Am Nil muss es sehr schön sein, und ich wollte immer hin, bis ich erfahren habe, dass die Pyramiden nicht über Fahrstühle verfügen.«
»Ich war schon da«, sagte Amanda, »und bin dort ziemlich krank geworden. Natürlich habe ich darauf geachtet, nur Mineralwasser zu trinken, und sämtliche anderen Vorsichtsmaßnahmen getroffen, aber dann ist mir etwas Dummes passiert. Die Bänder meiner Sandalen haben sich immer wieder gelöst und sind über den Boden geschleift. Beim Zusammenbinden sind meine Finger mit Bakterien in Berührung gekommen – vermutlich waren es Essensreste –, und ich erkrankte an Cholera. Eine wirklich höchst unangenehme Erfahrung.«
Sie unterhielten sich ein paar Minuten über ihre Reisen, und Dudley sagte in Gedanken den exakten Zeitpunkt voraus, an dem sie ihn fragen würde, was alle New Yorker unbedingt erfahren wollen, sobald sie jemanden zumindest ein wenig kennen gelernt haben: Was machen Sie denn beruflich? Und so war es dann auch.
»Ich bin Anwalt«, antwortete er und hielt schon seine Visitenkarte in der Hand. (Er stellte ihr jedoch nicht die Gegenfrage, um ihr
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