Ein Toter fuehrt Regie
überhaupt?»
Es klingelte.
«Da ist der Besuch schon», sagte Mannhardt.
Schloo zögerte offenbar zu öffnen. Aber es schrillte weiter.
«Soll ich Ihren Besuch in Empfang nehmen?» fragte Mannhardt lauernd.
«Nein, ich gehe schon.»
Na endlich, dachte Mannhardt.
Kaum war Schloo draußen, da begann er auch schon, die ersten Schubladen herauszuziehen, die ersten Türen an der Schrankwand zu öffnen. Zugleich konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er draußen Kochs Stimme hörte:
«Guten Tag, Herr Schloo. Mein Name ist Bartel – ich bin der neue Hausbesitzer. Hier – der Kaufvertrag, den ich gestern mit Herrn Hambach abgeschlossen habe…»
«Und was wollen Sie hier?»
«Nach Paragraph 15 des Mietvertrages steht mir das Recht zu…»
Mannhardt hörte nicht mehr hin, denn inzwischen hatte er gefunden, was er suchte. Die zurückgeklappte Schreibtischplatte gab den Blick frei auf einen 38er Smith & Wesson, ein Bündel von Hundert-Mark-Scheinen und einen Shell-Atlas, in dem gestempelt stand:
Dr. med. Alfred Wendt Facharzt für Inneres
1 Berlin 31 Babelsberger Straße 10a
Die Hundert-Mark-Scheine waren sämtlich, und das war das Verblüffende daran, in der Diagonalen durchgerissen, mal so, mal so, jedenfalls sehr einfallsreich und in allen möglichen Variationen. Genaugenommen besaß Schloo also nur halbe Hundert-Mark-Scheine, wenn auch haufenweise, aber jede Hälfte war für sich allein so ziemlich wertlos. Ein uralter Trick… Mannhardt drückte die Klappe wieder zu und setzte sich, denn nun kam Schloo mit Koch ins Zimmer zurück.
Koch erzählte etwas von einer Gasheizung, die jede Etage erhalten sollte: «Bis das Haus hier der Sanierung zum Opfer fällt, möchte ich für meine Mieter menschenwürdige Verhältnisse schaffen.»
Wie edel! Mannhardt hätte fast losgelacht. Ausgerechnet Koch, der ansonsten der Prototyp des Unpolitischen war. Aber er spielte die Rolle ausgezeichnet.
«Ich habe gerade einen Sportfreund hier», sagte Schloo und zwinkerte Mannhardt zu. «Herr Müller, unser Kassierer.»
Mannhardt stand auf und reichte Koch die Hand. «Sehr angenehm…»
Das hieß also, daß Schloo dem guten Koch den Hauswirt abnahm und nun Angst hatte, der würde ihn auf die Straße setzen, wenn er erfuhr, daß Mannhardt von der Kripo war.
Sie hatten ein, zwei Sekunden Zeit. Koch sah Mannhardt fragend an. Mannhardt nickte unmerklich und fühlte, daß Koch ihm eine Fotografie zuschob. Er ließ sie in der rechten Jackettasche verschwinden.
Es war ihm so ziemlich klar, was darauf zu sehen war. Schloo schien nichts gemerkt zu haben.
Mannhardt trat ans Fenster – so als wollte er den Dialog zwischen Schloo und seinem Hausbesitzer nicht stören. Mit dem Rücken zu den beiden Männern gewandt, zog er die Fotografie aus der Tasche. Während Koch etwas von baldiger Renovierung und von Thermopenfenstern faselte, erkannte er, daß die Aufnahme bei einem Betriebsausflug entstanden war – die Lieper Bucht offenbar. Keine zwei Meter von Ossianowski entfernt stand Schloo… Er wandte sich um und zeigte Schloo die Fotografie:
«Erinnern Sie sich jetzt?»
Schloo war einen Augenblick lang verwirrt – eben hatte dieser Oberkommissar noch mitgespielt und jetzt… Da zündete es bei ihm.
«Ihr Scheißbullen!»
Er wollte zur Tür sprinten, aber Koch stellte ihm ein Bein. Und dann stand Mannhardt mit entsicherter Waffe über ihm.
«Sie wissen selber am besten, Herr Schloo, was bei Ihnen da im Schreibfach liegt…» Er hatte ein schlechtes Gefühl, als er Schloo jetzt hilflos vor sich liegen sah. Für diesen Dschungelkampf war er nicht geboren… Fair war’s nicht. Ohne den Trick mit Koch als Hauswirt hätten sie Schloo nie gekriegt; kein Untersuchungsrichter hätte da einen Haussuchungsbefehl ausgestellt. Nun hatten sie Schloo, und Dr. Weber würde sie decken.
«Sie sind vorläufig festgenommen, Herr Schloo!»
Schloo stand auf. «Ach, leckt mich doch am Arsch!»
10
P.S. Nachdem ich Ihnen, sehr verehrter Herr Kommissar, bislang so erschöpfend Auskunft über die Sie interessierenden Fragen gegeben habe, darf ich wohl auf Nachsicht hoffen, wenn ich erst in diesem Nachtrag auf einen strategisch äußerst bedeutsamen Umstand zu sprechen komme. Ich kann mir dieses Versäumnis nur mit meiner verständlichen Erregung erklären, die sich naturgemäß mit jeder verstreichenden Minute multipliziert. Schon immer fasziniert vom Sterben, darf ich es demnächst ganz intensiv erfahren, ja –
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