Ein Toter fuehrt Regie
Kamm mit’m Monogramm drauf rumliegen haben – zweitens fällt auf so was doch kein Profi mehr rein.»
«Eben. Und außerdem ist es verdammt riskant, drittens. Und wenn er ‘n Alibi hat, zum Beispiel, dann fallen wir viertens auf den Bauch, daß es knallt.»
«Ja, wenn du was Besseres weißt…» Koch war beleidigt.
«Wart mal…» Mannhardt dachte nach. Er hatte plötzlich eine Idee. Auch ein bißchen außerhalb der Legalität, aber…
Koch hörte aufmerksam zu.
«Na?»
«Okay!»
«Dann sag mir nur noch die Adresse.»
«Kreuzberg, Manteuffelstraße 36 – Volker Schloo…»
«Vergelt’s Gott!» Mannhardt legte auf.
Er verließ sein Büro und fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten. Während der Fahrt erfreute er sich wie jedesmal am Punkt 6c der Aufzugsverordnung vom 8. September 1926: Es ist verboten, Personen in Aufzügen zu befördern, in denen das Mitfahren von Personen verboten ist.
Dann saß er in seinem Kadett und fuhr die Kurfürstenstraße hinunter. Ein neues Hotel neben dem anderen. Und wohl alle voller Gäste, na, jedenfalls zu fünfzig Prozent, schätzte er.
Und Kreuzberg dagegen: Mietskasernen von Siebzigeinundsiebzig, Wracks, ein Hotel ‹Slum› neben dem anderen, extra reserviert für unsere türkischen Freunde, die was fürs deutsche Bruttosozialprodukt tun durften… Die Prospekte hatten schon recht, Berlin war ‘ne Weltstadt; nun gab’s sogar schon ein Harlem an der Spree.
Mannhardt fand in der Naunynstraße einen Parkplatz und stieg aus. Ein paar türkische Kinder, sieben, acht vielleicht, bestaunten ihn. Ganz putzige Kerlchen. Er hätte gern was auf türkisch zu ihnen gesagt, doch er wußte nicht mal, was ‹Guten Tag› hieß. Sicherlich was mit zehn Ü’s drin… Weiter!
Manteuffelstraße 36. Ein gewaltig hoher Hausflur, in dem’s nach Pisse stank. Proletarier aller Länder verunreinigt euch! Auf dem Klingelbrett Namen: Rodriguez, Stromattias, Cebec und Kütschük, letzterer vom Hauswirt wohl schon eingedeutscht, aber auch noch andere, die nach Ostpreußen, Schlesien oder Pommern klangen: Buttgereit, Wieczorek, Sorau. Und tatsächlich, Vorderhaus, III. Stock, rechts: Schloo.
Mannhardt stieg hinauf. Knarrendes, so weit abgetretenes Holz, daß die Stufen konkave Formen angenommen hatten. Von den Wänden blätterte die Farbe, ehemals Schweinfurter Grün. Als Kind hatte er immer Schweinfuttergrün verstanden. Sein Vater hatte seine Zäune damit bepinseln lassen.
Als er oben war, schnaufte er. Das war nichts für ‘n Mann aus’m Einfamilienhaus, der zudem auf dem Weg ins Büro Fahrstuhl fuhr… Er stellte sich vor, wie es wäre, hier eine Wohnung zu haben, Arbeitslosenunterstützung (Stütze) zu beziehen und für den Rest seines Lebens so dahinzugammeln – ohne Vorgesetzte, Leichen, Familienfeiern, Hypotheken und Heuchelei, wenn sein Schwiegervater auftauchte, der SS-Scharführer außer Diensten… Nur noch Träume, ein bißchen Wehmut und ziemlich viel Wermut… Zu seiner Verwunderung fand er die Vorstellung ganz reizvoll.
Er riß sich zusammen.
Schloo wohnte mit den Herren Dieter Spindler und H.-J. Haller zusammen; die drei zerkratzten Briefkästen mit den Namensschildern an den rostbraunen Türen bewiesen es. Sie standen offen, unten gab’s ja, welcher Fortschritt, Hausbriefkästen, und die Kinder hatten allerlei Mist hineingeworfen.
Bei V. Schloo mußte man dreimal klingeln, und Mannhardt tat es.
Der Mann, der wenige Sekunden später in der leicht geöffneten Tür erschien, war der gleiche Typ wie sein Drogist draußen in Hermsdorf. Untersetzt, ein ovales Gesicht, eine Halbglatze mit schwarzem Kräuselhaar ringsum und offenbar unheimlich ölig. Der Sohn konnte’s kaum sein, der Drogist hieß Kindermann und war erst Mitte Dreißig. Ein ekliger Bursche. Der Kindermann. Jeder Hausfrau zwischen zwanzig und vierzig machte er das, was gute Bürger unsittliche Anträge nennen, und vielen gefiele, aber Lilo hatte ein bißchen Angst vor ihm, und so mußte Mannhardt die einschlägigen Einkäufe in seiner kärglichen Freizeit erledigen… Pech für Schloo, daß er diesem Hermsdorfer Drogisten zum Verwechseln ähnlich sah.
Er war im ockerfarbenen Unterhemd und knöpfte seine fliederfarbenen Jeans vollends zu. Offenbar hatte Mannhardt ihn geweckt, und ebenso offenbar hatte er auch einen anderen erwartet.
«Was gibt’s denn?» Ölig. Schleimig. Aalglatt. Mannhardt hätte sich am liebsten geschüttelt.
«Herr Schloo…?»
«Ja…»
«Mannhardt, Kriminalpolizei… Bitte!» Der
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