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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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nicht der beste. Zu große Aufregung könnte ihn
umbringen.“
    „Das Klügste wäre dann allerdings gewesen“,
philosophierte ich, „Sie hätten ihm nichts gesagt und sich direkt mit mir in
Verbindung gesetzt. Falls ein Privatdetektiv überhaupt gebraucht wird...“
    „Das konnte ich nicht. Ich machte mir Sorgen,
und Papa hat es bemerkt. Ich mußte ihm einfach alles erzählen... Außerdem...“
    Eine Sekunde lang versenkte sie ihre Augen in
meine, gerade so lange, um nicht auf den Wagen vor uns aufzufahren. „Flat er
gesagt, daß ich eine Lügnerin bin?“
    „Er hat es durchblicken lassen. Und? Sind Sie
eine?“
    „Papa ist davon überzeugt. Warum, weiß ich
nicht. In gewissem Sinne erleichterte mir das meine Aufgabe. Ich konnte ihm
unangenehme Dinge erzählen, ohne daß er mir ganz und gar Glauben schenkte; aber
es reichte, damit er etwas unternahm.“
    „Auch wenn er Ihnen nur die Hälfte abnahm, macht
er sich nun seinerseits Sorgen. Die Idee, einen Privatdetektiv einzuschalten,
war übrigens auch nicht besonders gut. Warum sind Sie nicht gleich zu mir
gekommen, ohne ihn in die Geschichte einzuweihen?“
    Sie zuckte mit den Schultern.
    „Wie hoch ist der Vorschuß, den mein Vater Ihnen
gezahlt hat?“
    „Ich weiß nicht, ob es ein Vorschuß oder schon
der gesamte Betrag ist. Nun, ich habe... äh... zehntausend bekommen.“
    „Wo hätte ich die denn hernehmen sollen?“
seufzte sie. „Ich verfüge sozusagen über kein eigenes Geld. Ich kann mir
Kleider kaufen, kann diesen alten Klapperkasten fahren, ja... Der Wagen gehört
Roland, er will ihn nicht mehr... Das ist alles. Und außerdem: Hätten Sie sich
für den Fall interessiert, wenn ich Ihnen davon erzählt hätte?“
    „Tja, das weiß ich selbst nicht.“
    „Sehen Sie? ... Was haben Sie jetzt vor?“ fragte
sie unvermittelt.
    „Ich werd mir das Lokal mal aus der Nähe
angucken. Noch heute abend. Danach werden wir weitersehen.“
    „Das Antinéa ist ein Club. Da darf man
nicht einfach so reingehen wie in eine gewöhnliche Kneipe.“
    „Ach, wissen Sie, ich hab mich schon in
geheimere Kreise eingeschlichen. Schließlich bin ich Privatdetektiv.“
    „Ja, natürlich. Und was haben Sie im Augenblick
vor?“
    „Nichts Besonderes.“
    „Ich bin in einem Bistro am Boul’ Mich’
verabredet, mit einem Freund unserer Familie, Paul Dumonteil. Er weiß über
alles Bescheid. Er war’s, der als erster die merkwürdige Veränderung in Rolands
Verhalten bemerkt hat. Möchten Sie ihn kennenlernen?“
    „Lohnt es sich?“
    „Ich glaube, er ist Mitglied im Club Antinéa. Vielleicht weiß er noch etwas, was er mir bis jetzt verschwiegen hat. Und
außerdem...“
    Sie lächelte wieder.
    „Würden Sie es ablehnen, mit mir ein Gläschen zu
trinken?“

Ein komischer Beduine
     
     
    Das Bistro hieß ganz im Ernst Le Latinos. Neulich hatte ich in der Rue de Rennes ein Geschäft gesehen, das Scientifics
Occases hieß. Dann konnte dieses Bistro auch ruhig Le Latinos heißen.
    An der Theke saß, den Hut als Heiligenschein auf
dem Hinterkopf, ein Gast von ungefähr dreißig Jahren. Als Joëlle Flauvigny das
Lokal betrat — sie tat es, als wäre sie hier zu Hause — , drehte er sich auf
seinem Hocker um und begrüßte sie mit einer knappen Handbewegung.
    „Das ist Dumonteil“, flüsterte sie mir zu.
    Sie ging zu ihm und hatte es sehr eilig, mich
vorzustellen.
    „Paul, das ist Nestor Burma, der Privatdetektiv,
den Papa wegen Roland engagiert hat. Es heißt, Monsieur Burma schlage
Geheimnisse k.o.“
    Dumonteil streckte mir eine fette Hand hin.
    „Angenehm“, sagte er, um dann mit einem
skeptischen Lächeln hinzuzufügen: „Ich glaube nicht, daß Sie Gelegenheit haben
werden, ihren K.o.-Schlag anzubringen. Rolands Eskapaden haben nichts
Geheimnisvolles an sich. Übrigens, was möchten Sie trinken?“
    Das war ein guter Auftakt. Ich entschied mich
für einen Martini, und Dumonteil ließ sich nach einem kurzen Blick auf sein
Glas nachschenken. Joëlle bestellte einen komplizierten Cocktail. Während der
Barkeeper unseren Wünschen nachkam, entschuldigte sie sich, um hinter einer Tür
mit der Aufschrift Telefon ihr Make-up aufzufrischen. Dumonteil zündete
sich eine Zigarette an.
    „Freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte er, um
das Gespräch in Gang zu bringen.
    Seine müde Stimme schien Mühe zu haben, zwischen
seinen Lippen hervorzukommen, die er kaum bewegte, so als habe er
Zahnschmerzen. Seine wabbligen Wangen hatten einen ungesunden Teint. Er sah aus
wie

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