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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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zu
erreichen. Er soll herausfinden, ob Mercadier — Sie wissen schon, unser
sauberer Kollege — nicht zufällig so aussieht, als werde er sich bald einen
einträglichen Fall unter den Nagel reißen.“
    „Schon notiert.“
    „Dann bis später, Hélène.“
    „Wiedersehn, Chef. Und geben Sie nicht alles
aus. Ich will auch noch was abkriegen.“
    Ich ging wieder zurück an die Theke. Die Gläser
von Dumonteil und Joëlle waren leer. Ich ließ nachgießen, ohne mein eigenes
Glas zu vergessen.
     
    * * *
     
    Der Saal in der ersten Etage des Restaurants war
leer. Wir nahmen Platz. Eine Kellnerin sah betrübt zu uns herüber. Wahrscheinlich
überlegte sie, wie oft sie wohl die zwanzig Stufen der steilen Treppe würde
hinunter- und hinaufsteigen müssen, um uns zu bedienen. Durch die Fenster
konnte man die regengepeitschten Bäume vor dem Musée de Cluny sehen. Der
Regenschauer hatte uns überrascht, als wir das Latinos verlassen hatten.
    „Was genau ist eigentlich dieses Antinéa ?“
fragte ich Dumonteil, während ich das zähe Fleisch auf meinem Teller
zersäbelte. „Sie als Clubmitglied...“
    Er schluckte gerade einen Bissen hinunter und
schenkte uns gleichzeitig Wein ein.
    „Clubmitglied der ersten Stunde“, präzisierte er
stolz. „Sozusagen Gründungsmitglied. Anfangs war es noch nicht das, was es
inzwischen geworden ist. Junge Leute aus dem Viertel, Studenten und solche, die
sich gerne dafür halten ließen, hatten eines Tages die Idee, einen Club zu
gründen, wie es jetzt überall Mode ist. Sollte aber was ganz Besonderes sein.
Einen Antillen-Club gab es schon. Also wollten sie einen arabischen Club ins
Leben rufen...“
    „Eine Mischung aus Pépé-le-Moko und Atlantis?“
    „So ungefähr, ja. Die Idee kam von den zwei oder
drei Arabern, die zu der Clique gehörten. Sie fanden ein Lokal in der Nähe der
Moschee, möblierten und dekorierten es im maurischen Stil und nannten es Antinéa...
Antinéa !“ Er seufzte. „Nur noch der Name ist geblieben. Denn was die
Gründungsmitglieder angeht...“
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung.
    „Nach und nach haben die Araber das Kommando
übernommen?“ vermutete ich.
    „Ganz genau. Aber keine Erdnußverkäufer!
Richtige Ganoven haben sich für den Club interessiert, Leute, die auf dem
Schwarzmarkt reich geworden waren und nun ein Anlageobjekt für ihre Gewinne
suchten. Jetzt ist das Ganze fest in arabischer Hand.“
    Ich beobachtete, wie sich die Bäume vor dem
Fenster im Wind krümmten. Es regnete immer noch. Alle Welt sprach von einem
verregneten Frühling. Ich dachte wieder an den unglücklichen Araber im Müll.
Bestimmt saugte er sich nach und nach voll wie ein Schwamm.
    „Dort machen sie jetzt ihre Geschäfte“, hörte
ich Dumonteil sagen, „und zwar auf dem Rücken der Christen und deren
Brieftaschen.“
    Joëlle lachte nervös auf.
    „Sie nehmen Touristen aus wie Weihnachtsgänse“,
ergänzte sie.
    „Der Inhaber“, fuhr Dumonteil fort, „ist ein
gewisser Moktar. Aber das will nicht viel besagen. Ich nehme an, die heißen alle
so ähnlich wie Moktar oder Mohammed...“
    „Nicht unbedingt“, widersprach ich. „Ich hab mal
einen gekannt, der hieß Ali Ben Cheffour.“
    „Ach ja? Na gut, das war dann eben ein
Außenseiter, der nicht sehr alt geworden ist.“
    „Sie müssen’s ja wissen!“
    Wenn der Regen noch lange anhielt, würde sich
die Mülldeponie in einen See verwandeln, und die Leiche würde obenauf
schwimmen.
    „Um auf diesen Moktar zurückzukommen... Er hat 5 ne
widerliche Visage, doch das überrascht Sie sicher nicht.“
    „Eine widerliche Visage hat guten Geschäften
noch nie im Wege gestanden.“
    „Ja, ja, der Schein trügt oft... Trotzdem macht
ein angenehmes Äußeres einen besseren Eindruck als eine Gangstervisage. Ich zum
Beispiel hätte gerne ein wenig Farbe im Gesicht. Sie haben doch sicher schon
bemerkt...“
    Er strich sich über die teigigen Wangen.
    „Eine Haut wie Pappmaché“, sagte er resigniert.
„Na ja, das ist nun mal meine Hautfarbe. Nicht zu ändern.“
    „Sie müssen Beaujolais trinken“, riet ich ihm.
    „Ich mache doch nichts anderes“, lachte er und
leerte sein Glas.
    „Und womit vertreibt man sich im Antinéa die Zeit?“ fragte ich.
    „Musik, Varieté... Man kann Kaldaunen essen,
Raki und Pfefferminztee, aber auch Kognak und Whisky trinken
    „Mit anderen Worten: nicht gerade orthodox vom
Standpunkt des Koran aus?“
    „Ich glaube, die scheren sich einen Dreck um den
Koran. Nein, wirklich

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