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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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schon für Sie übrigbleiben.“
    „Zwei Häuser“, fuhr sie nach einer Pause fort,
und ihre Haselnußaugen sahen durch einen Nebel hindurch auf eine ferne
Kindheit. „Ich war lange nicht mehr dort... Eins in Lindreville, aus großen
Felssteinen, am Rande des Dorfes... Ich mochte es nicht... Mir war das andere
lieber, das vor den Dünen, achthundert Meter vom Meer entfernt... Sand,
sumpfiges Gelände, der Wind, der über das Dünengras strich... und in den
Pappeln pfiff... Wir nannten es das Pappelhaus... Ein kleines Haus... ein
Dachboden mit altem Plunder
    Sie verstummte und blickte mich an, als hätte
sie mich noch nie gesehen. In ihren Augen standen Tränen.
    „Wenn ich gewußt hätte“, sagte ich sanft, „daß
es Sie so sehr berühren würde, hätte ich mir die Auskunft woanders geholt.
Lassen Sie die Vergangenheit ruhen, davon wird man nur melancholisch! Wir
trauern alle unserer Kindheit hinterher, aber was hilft’s?“
    Ich verließ das Krankenhaus, wütend über mich
selbst. Ich hatte das Gleichgewicht zerstört, das sich gerade wieder in dem
jungen Mädchen herzustellen begann. Ziellos ging ich durch die Straßen und
dachte an Maître Lenormand. Coutances! Der Name kam mir irgendwie bekannt vor.
Ach ja, ein Freund, den ich während des Krieges aus den Augen verloren hatte,
hieß so ungefähr. Das konnte es aber nicht sein. Der Name spukte mir aus einem
anderen Grund im Kopf herum. Hatte ich dem Martini zu sehr zugesprochen? Nein,
es war drei Uhr nachmittags, und ich hatte erst zwei getrunken. Vielleicht war
ich zu nüchtern?
    Plötzlich fing ich an, laut vor mich hin zu
fluchen.
    „Alles klar, Alter?“ fragte ein Taxifahrer aus
seinem Wagen heraus, der vor einer Ampel warten mußte.
    „Dich schickt der Himmel, Chef!“ rief ich und
stieg in sein Taxi. „Schnell zu mir nach Hause!“
    „Und wo ist das, bei dir zu Hause? In
Sainte-Anne?“
    Ich gab ihm meine Adresse und beschwor ihn,
kräftig aufs Gaspedal zu treten. Ich würde jeden Augenblick niederkommen.
    Als ich zu Hause ankam, war es tatsächlich
beinahe soweit. Ich stürzte mich auf die schmierigen Papiere, die ich dem toten
Belkacem abgenommen und nur flüchtig durchgesehen hatte. Sogleich fand ich das
gesuchte Dokument, den Grund für meine plötzliche Aufregung: den Lohnstreifen
eines Bauunternehmens in Coutances (Manche).
     
    * * *
     
    „Benzin ist teuer“, stellte Covet fest und zog
an seiner Zigarette. „Sie werden’s nicht bewilligen.“
    „Scheiße!“ fluchte ich. „Haben Sie ihnen mit dem
Riton-Finale einen Sensationsartikel geliefert, ja oder nein? Erzählen Sie
ihnen, das sei die Fortsetzung.“
    „Und? Ist es die Fortsetzung?“
    „Meine Intuition brüllt mir das so laut in die
Ohren, daß ich schon Kopfschmerzen habe. Lenormand war Ritons Anwalt. Riton
kennt ein Geheimnis und wird ermordet. Riton hatte einen Araber in seiner
Bande. Belkacem hat in Coutances gearbeitet. Na ja, hat jedenfalls so getan.
Sofort nach Ritons Ende rast Lenormand nach Coutances. Das nenne ich eine Kette
von Ereignissen! War schade, wenn meine Intuition sich und mich täuscht; aber
ich will wissen, was der Anwalt in Coutances treibt.“
    „Ich habe Vertrauen in Ihre Intuition, aber mein
Chef, der denkt ans Geld. Na gut, ich werd’s ihm erklären.“
    „Das werden Sie hübsch bleibenlassen! Sie
brauchen einen Wagen, um sofort aufs Land zu fahren, wegen Riton. Mehr nicht!
Keine weiteren Erklärungen!“
    „Also, dann wird’s nicht klappen! Oder er dreht
mir ‘ne alte Kiste an, keinen dicken amerikanischen Wagen!“
    „Bloß keinen Amerikaner! Was wir brauchen, ist
ein Auto, das zügig fährt und unauffällig aussieht. Schmucklose Karosse,
normale Scheinwerfer, schlichte Kotflügel.“
    „Großen Erfolg bei den Frauen werden wir damit
aber nicht haben. Mit einem Amerikaner dagegen...“
    „Sie wollen wohl die Frauen auf der Stoßstange
sitzen haben, was? Also, das können Sie sich abschminken! Wenn wir Glück haben,
bringen wir ‘n dicken Hund mit zurück... und keine Küken!“
     
    * * *
     
    Endlich bekamen wir den Wagen. Die Bemühungen
darum hatten jedoch soviel Zeit gekostet, daß wir trotz Covets abenteuerlichem
Fahrstil Coutances erst nach Einbruch der Nacht erreichten. Und wie die Nacht
hereingebrochen war! Der tintenschwarze Himmel schien uns ersticken zu wollen.
In der Nähe des Bahnhofs, der zum Teil aus Holz gebaut war, gab es ein Hotel.
Rechts und links davon mußten früher mal Häuser gestanden haben. Die Trümmer
waren

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