Ein Toter hat kein Konto
erklärte ich bescheiden.
Mein Lieblingssatz in letzter Zeit! „Wollen Sie auch noch wissen, warum
Dumonteil Ihren Sohn umgebracht hat?“
Flauvigny gab keine Antwort. Seine Lippen
zitterten, aber er sagte nichts. Nur eine schwache Geste forderte mich zum
Weiterreden auf.
„Weil Roland schlimme Dinge über den Nachtclub
gehört hatte... dunkle Geschäfte, die dort abgewickelt werden... Dumonteil
wurde abkommandiert, um ihn unschädlich zu machen. Riton-der-Spinner... Oh ja,
es gibt ihn“, fügte ich als Antwort auf eine ungeduldige Bewegung des Alten
hinzu. „Glauben Sie nicht, ich würde bluffen!“ In Wirklichkeit bluffte ich. Nur
ein wenig. Genug, um eine Auftragsverlängerung zu erreichen. „Riton-der-Spinner
wird mir sehr bald verraten, worum es genau dabei geht. Und gleichzeitig werde
ich den Mörder Ihres Sohnes bestrafen können... wenn Sie mir die Mittel dazu
geben.“
Flauvigny legte eine lange Denkpause ein und
stieß dann sein unangenehmes Lachen aus, unangenehmer noch als die
vorangegangenen Male. Das Blut konnte einem in den Adern gefrieren. Schmerz und
gleichzeitig boshafter Sarkasmus lagen darin.
„Lassen Sie mich mit Riton in Ruhe“, fauchte er.
„Alles, was Sie wollen, ist Geld, nichts als Geld und immer wieder Geld! Wie
alle die Dreckskerle, die sich Detektive nennen... Hören Sie, Burma, der Fall
ist abgeschlossen. Mein Sohn ist tot. Unfall oder Mord, was ändert es daran! Er
ist tot. Reicht das nicht? Morgen wird er beerdigt. Das ist mehr, als ich
ertragen kann... Ihre Mission ist damit beendet, Monsieur Burma, wenn sie überhaupt
jemals begonnen hat. Sie müssen nicht meinen, Sie könnten mir bis zum
Sankt-Nimmerleins-Tag das Leben damit vergiften. Ich werde...“
Seine Hände klammerten sich an die Lehne seines
Thrones. Er riß eine Hand los und fuhr sich damit über die Stirn.
„Ich sollte mich nicht so aufregen“, flüsterte
er. „Verstehen Sie doch: Sie haben mir einen Skandal erspart. Dafür danke ich
Ihnen. Aber belassen wir es dabei! Alles, was wir noch tun könnten, gibt mir
nicht meinen Sohn zurück.“
„Amen“, sagte ich. „Der Fall ist abgeschlossen.“
Flauvigny wurde ruhiger. Er öffnete eine
Schublade, nahm ein Bündel Geldscheine heraus und schob es zu mir herüber. Dann
drückte er auf einen Klingelknopf.
„Das Geld fürs Taxi“, erklärte er. „Adieu.“
Ich sammelte die Scheine ein. Albert begleitete
mich bis zum Eingangstor von La Feuilleraie. Sein Blick war hart und
undurchdringlich.
* * *
Ich fuhr in meine Agentur zurück und traf dort
Hélène und Reboul an. Mein einarmiger Mitarbeiter hatte in Sceaux nichts Neues
erfahren können, aber das war jetzt auch nicht mehr so wichtig. Ich erzählte
den beiden, was ich in der letzten Nacht erlebt hatte. Sie waren einhellig der
Meinung, daß ich eine seltsame Art hätte, meine Freizeit auszufüllen. Ich
berichtete ihnen auch das, was Joëlle und der alte Flauvigny mir anvertraut
hatten.
„Die Sache ist gestorben“, schloß ich. „Ich
hätte nicht übel Lust, mich Riton zuzuwenden. Mit seinen Andeutungen hat der
Blödmann mein Interesse geweckt. Wir müssen herausfinden, wo er sich verkrochen
hat. Mit ein wenig Glück müßte das möglich sein...“
Ich nahm Reboul mit in die Rue Tournefort. Ohne
Zwischenfälle gelangten wir in die fünfte Etage zu Rolands ehemaliger Wohnung.
Flauvigny hatte die Habseligkeiten seines Sohnes abholen lassen. Die leeren
Mansardenzimmer sahen trist aus. Ich zauberte ein Fernglas aus meiner Tasche
hervor.
„Riton hat von einer Mansarde im sechsten Stock
gesprochen“, sagte ich zu Reboul. „So genau, wie er Dumonteils Vorgehen
beschrieben hat, muß er Augenzeuge der Tat gewesen sein, und zwar von einer der
Mansarden aus, die wir von hier aus sehen können. Wahrscheinlich vertreibt er
sich die Zeit damit, durch ein Fernglas Dienstmädchen beim Auskleiden zu
beobachten. Im Moment wohl die einzige Zerstreuung des Millionärs in Klausur.
Wir müssen vorsichtig sein, für den Fall, daß er immer noch seinem Zeitvertreib
nachgeht.“
Ich hob das Fernglas an meine Augen und suchte
die Dächer von Paris ab. Niemand weit und breit, der sich demselben Sport
widmete. Wir machten rund zwanzig Mansarden aus, die in Frage kamen, und zeichneten
sie auf ein Planquadrat des Viertels ein. Damit gingen wir auf die Jagd.
Wir stiegen Treppen verschiedenster Bauart hoch,
klopften an unzählige Türen und erfanden die intelligentesten Vorwände, um zu
rechtfertigen, daß wir
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