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Ein toter Lehrer / Roman

Ein toter Lehrer / Roman

Titel: Ein toter Lehrer / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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nicht. Er meinte, er hätte Szajkowski von Anfang an im Auge behalten, aber da bin ich mir nicht so sicher. Am Ende kann’s damit ja nicht mehr weit her gewesen sein, stimmt’s? Aber am Anfang vielleicht, und vielleicht hat er ja auch deshalb unser kleines Tête-à-tête beobachtet und ist rechtzeitig zu uns gestoßen, damit Szajkowski sein Gesicht wahren konnte.
    An dem Punkt werde ich dann laut. Vielleicht fällt auch das eine oder andere Schimpfwort. Nichts Schlimmes. Nicht das A-Wort. Vielleicht das S-Wort. Aber wie ich hinterher auch zu den anderen gesagt hab, er war der Aggressive, nicht ich.
    Was geht hier vor sich?, fragt Travis. Weshalb die Aufregung?
    Und Sam Szajkowski fängt an rumzuheulen und macht einen auf Unschuldslamm. Herr Direktor, sagt er, ich weiß nicht genau, was ich gesagt habe, aber offensichtlich habe ich TJ damit beleidigt.
    Und ich so: Ja, Mann, verdammte Scheiße, und ob du mich beleidigt hast, du kleiner Schwanzlutscher, und du weißt ganz genau, was du gesagt hast.
    Und Travis: Beruhigen Sie sich, Terence. Er nennt mich immer Terence. Ich hab ihm gesagt, er soll das lassen, aber er macht es trotzdem. Er also: Beruhigen Sie sich, Terence. Und zu Samuel: Was haben Sie denn gesagt? Und der dann: Ich weiß es nicht, Herr Direktor, ich weiß es nicht.
    Und dann sehen sie mich an, und ich hab immer noch die Faust in der Tasche geballt, und jetzt fragt der Direktor mich: Was
     hat er gesagt, Terence? Was hat er denn so Beleidigendes gesagt?
    Und wie’s aussieht, hat Szajkowski das prima eingefädelt, ich stehe jetzt nämlich da wie der Obertrottel. Er sieht mich an, diesmal ohne zu lächeln, aber ich weiß genau, dass er es doch tut, dass er innerlich so richtig fett grinst. Und was bleibt mir anderes übrig, ich muss ja antworten, denn wenn Travis einen was fragt, muss man antworten, man muss einfach. Die Kids, die haben Angst vor ihm, und wir Lehrer, na ja. Ich meine, ich fürchte mich vor niemandem, aber ich sag einfach mal, Travis ist schon nicht umsonst Direktor.
    Ich sag es ihm also. Ich sage: Es ist nicht unbedingt, was er gesagt hat. Eher die Art, wie er es gesagt hat.
    Wie er was gesagt hat?, fragt Travis. Was hat er gesagt?
    Er hat gesagt … Also, er hat gesagt, ich wäre Physiklehrer, Herr Direktor. Und dann hat er gesagt, ich wäre Lateinlehrer.
    Und da guckt mich Travis an, als wäre ich so eine Art geistig Zurückgebliebener, als wäre ich dieser Kleine mit dem besonderen Förderbedarf in der 7 c. Ich versuche, es zu erklären, und ich sage zu Szajkowski: Du weißt, wie du das gemeint hast, du weißt genau, wie du das gemeint hast, jetzt mach hier nicht einen auf Unschuldslamm.
    Natürlich gucken sie jetzt alle. Nicht, dass mich das stören würde, ich meine, diese Leute kennen mich, die wissen, was sie von mir zu halten haben. Die wissen genau, was hier abgeht, da bin ich mir sicher. Nur Maggie nicht. Sie sieht mich an, als wär ich ein Schamhaar in ihren Cornflakes. Und wissen Sie, was mich echt ankotzt? Genau mit dieser kleinen Geschichte hat es angefangen mit den beiden. Das kotzt mich echt an. Er tat ihr leid. Maggie hatte Mitleid mit ihm. Alles, was danach kam, ihr kleines Techtelmechtel, das war alles Bullshit, weil es nämlich mit einer Lüge angefangen hat. Mit Szajkowskis Lüge.
    Und das war’s dann wirklich. Der Direktor antwortet, ich hätte wohl ein bisschen zu tief ins Glas geschaut, und ich so: Ich trinke Orangensaft, ich trinke nur Orangensaft, verdammt noch mal, und der Direktor sagt: Nun ja, trotzdem, und murmelt irgendwas von wegen Zucker. Und dann führt er mich weg. Und ich gehe nach Hause.
    Das war’s also. So habe ich Szajkowski kennengelernt. Danach kam irgendwie eins zum anderen.

E r wird nicht mit Ihnen sprechen.«
    »Weiß er, was passiert ist? Hat es ihm jemand erzählt?«
    »Sie hören mir nicht zu, Detective. Er wird nicht mit Ihnen sprechen. Er spricht gar nicht. Nicht einmal mit seinen Eltern.«
    »Und Sie antworten nicht auf meine Frage, Doktor. Weiß er es?«
    Der Arzt schlug sich mit seinem Klemmbrett gegen das Bein. Er nahm die Brille ab. »Ja, ich glaube, er weiß es. Ich habe mit seinen Eltern darüber gesprochen. Wir kamen überein, dass es heilsam für ihn sein könnte, es ihm zu erzählen. Wir waren uns einig, dass es ihm nicht schaden würde.«
    »Heilsam?« Lucia spähte durch die Glasscheibe in das Krankenzimmer. Sie sah nur ein leeres Bett. »Sie glaubten also, es könnte ihn dazu bringen, etwas zu sagen. Dass ihn der Schock

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