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Ein toter Lehrer / Roman

Ein toter Lehrer / Roman

Titel: Ein toter Lehrer / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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nicht vorkommen.
    Und die Musik. In Sachen Musik bin ich mir immer noch nicht sicher. Sarah liebte die Beatles. Sie war ganz verrückt danach. Sie hatte eine CD , das muss eine Greatest Hits gewesen sein. Vielleicht auch zwei. Eine hatte ein blaues Cover, glaube ich. Die andere ein rotes. Sie spielte sie rauf und runter, aus ihrem Zimmer hörte man nie was anderes. Selbst wenn die Tür zu war, drang es durch die Wände, durch den Boden. Und die Songs kennt man ja alle, so dass es egal war, wenn man den Text nicht verstand. Man hörte die Melodie und Paul McCartney und ertappte sich plötzlich beim Mitsingen. Wenn sie traurig war, hörte sie
Eleanor Rigby,
rauf und runter. Wenn sie wütend auf uns war, auf Susan und mich, spielte sie
Yellow Submarine.
Ich weiß nicht, warum. Ich glaube, weil sie dachte, wir mögen es nicht. Und ich mag es tatsächlich nicht. Ich weiß nicht, wie es Susan geht, aber ich mag den Song nicht. Auch wenn ich ihn jetzt gern hören würde.
    Across the Universe.
Das spielen wir auf ihrer Trauerfeier. Finden Sie das unpassend?
Across the Universe
und
Penny Lane. Penny Lane
war Sarahs Lieblingssong.
    Hören Sie mir überhaupt zu? Tut mir leid. Ich plappere den ganzen Tag so weiter, wenn Sie mich lassen.
    Das ist nett von Ihnen, aber es muss doch irgendwas Bestimmtes geben, was Sie von mir wissen wollen. Sie sind doch sicher
     nicht nur zum Plaudern gekommen.
    Nein, nur zu. Wirklich, das macht mir nichts aus.
    Na ja, was soll ich Ihnen da erzählen? Sie war ja erst in der siebten Klasse, sie war noch nicht lange da.
    Nein, keine Probleme. Sie war sehr intelligent. Und sehr fleißig.
    Sie ging gern zur Schule, doch, ich glaube schon. So gern, wie ein Kind eben zur Schule geht.
    Nein, von ihm gesprochen hat sie nie. Sie hatte bei ihm Unterricht, glaube ich, ja, doch.
    Mit dem Direktor, ja, mehrmals. Erst gestern sogar. Es ging um den Gedenkgottesdienst. Er hatte zwar noch keinen Termin festgelegt, aber er wollte wissen, was ich davon halte. So ganz prinzipiell. Ich habe ihm gesagt, ich hielte das für eine ausgezeichnete Idee. Aber ich weiß nicht so recht. Ob wir hingehen sollen, meine ich. Wahrscheinlich gehen wir nicht hin. Schon wegen Susan und allem. Aber ich habe dem Direktor gesagt, wir würden die Geste zu schätzen wissen, selbst falls wir selber nicht kommen. Und dass es den anderen helfen würde. Wie heißt dieses Wort, das die Amerikaner haben? Sie wissen schon, wenn man an den Punkt kommt, wo man etwas hinter sich lässt, wo man nach vorn blicken kann.
    Ja, genau. Ich glaube zwar nicht, dass wir diesen Punkt je erreichen, aber man muss ja auch an die anderen Kinder denken.
     Die das alles mit ansehen mussten. Ihre Freunde verloren haben.
    Sie waren sicher in der Schule, oder?
    Dann haben Sie ja die Blumen und die Briefe gesehen. Und die schwarzen Bänder. Es ist schon erstaunlich, nicht wahr? Wie viele Menschen ein einziges Leben berühren kann. Manchmal hilft das. Ich habe ein schlechtes Gewissen deswegen, aber es hilft: zu wissen, dass andere auch trauern. Anders zwar, und die meisten aus anderen Gründen, aber sie trauern trotzdem. Sie wissen ja, was man über Leid sagt. Es steckt eine Menge Wahrheit in diesen alten Sprichwörtern, finden Sie nicht auch? Außer in dem über die Zeit und Wunden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da etwas dran ist.
    Aber genau, der Direktor. Er scheint mir ein ganz patenter Kerl zu sein. Offenbar sagt er das Richtige, trifft den richtigen Ton, Sie wissen schon. Ich beneide ihn nicht um seinen Beruf, das kann ich Ihnen sagen. Es muss ein hartes Brot sein, selbst unter normalen Umständen. Aber irgendwas muss er ja richtig machen, denn die sind ja heutzutage ständig unter Beobachtung. Die Schule steht bei allen Rankings gut da, sie belegt immer einen der Spitzenplätze. Deshalb haben wir Sarah dorthin geschickt. Deshalb sind wir hierhergezogen.
    Nein danke. Ich habe noch dieses hier. Es geht schon.
    Wissen Sie, es ist interessant, dass Sie das fragen. Über die Schule. Denn wissen Sie, was ein Freund von mir gesagt hat? Der hat gesagt – na ja, eigentlich sie beide, er und seine Frau – sie haben zu mir gesagt – Susan war nicht dabei, und wenn ich jetzt so darüber nachdenke, war es gut so –, jedenfalls haben sie zu mir gesagt: Du solltest sie verklagen. Die Schule. Können Sie sich das vorstellen? Sie haben gesagt, ich soll die Schule verklagen. Weil sie ihn eingestellt haben. Weil sie ihm unsere Kinder anvertraut haben, meinten sie. Weil

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