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Ein toter Lehrer / Roman

Ein toter Lehrer / Roman

Titel: Ein toter Lehrer / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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nur einen einzigen Blick zurück.
     
    »David.«
    »Lulu.«
    »Bitte, David. Hör auf damit.«
    »Womit? Oh.« Er hatte mit einem Fingernagel gegen sein Glas getippt. Er zog die Hand weg.
    »Das meine ich nicht. Du sollst … damit aufhören. Damit, so zu grinsen.«
    »Wie zu grinsen?«
    »Als hätten wir ein Date. Wir haben kein Date.«
    »Aber auch kein Geschäftsessen.«
    »Doch. Genau das.«
    Davids Grinsen wurde noch breiter. »Wie du meinst, Lulu.«
    »Und nenn mich nicht Lulu.« Sie drehte den Kopf weg. »Du machst es mir nicht gerade leicht.«
    Der Kellner brachte das Wasser, das Lucia bestellt hatte. Er stellte es ihr umständlich hin, deckte die Weingläser ab und reichte jedem eine aufgeschlagene Speisekarte. Lucia schlug ihre zu und legte sie beiseite, nachdem der Kellner gegangen war. »Ich muss mit dir reden«, sagte sie. »Kann ich mit dir reden?«
    »Klar«, sagte David. »Dazu sind wir ja hier, oder? Zum Reden.« Er beugte sich vor und nahm Lucias Hand. Sie ließ ihn gewähren, zog die Hand dann aber weg.
    »David …«
    »Sieh mal, Lucia. Ich habe mich geirrt. Ich habe einen Fehler gemacht und seitdem dafür bezahlt. Bitte, lass es mich wieder gutmachen.«
    Lucia schüttelte den Kopf. Sie nahm die Hände unter den Tisch. »David. Hör mir zu.«
    Doch bevor sie weiterreden konnte, kam ein anderer Kellner an den Tisch, Notizblock und Stift gezückt. Lucia nahm ihre Speisekarte zur Hand und bat David mit einer Geste, zuerst zu bestellen. Er wählte Pasta. Lucia suchte die Suppen. Als sie sie gefunden hatte, überlegte sie es sich anders. »Haben Sie auch Schokoladenkuchen?«, fragte sie.
    »Wir haben eine ausgezeichnete Valrhona-Torte mit karamellisierten Orangen.«
    »Ist die mit Schokolade?«
    »Ja, Madam.«
    »Dann nehme ich die«, sagte Lucia. »Danke.« Sie reichte ihm die Karte.
    Der Kellner ging. Lucia sah wieder zu David, der den Kopf leicht gesenkt hatte und eine Hand auf der Stirn hielt. Unwillkürlich musste sie lächeln. Ihre Bestellung war ihm peinlich gewesen. Das war eine Eigenheit von ihm, die ihr entfallen war: Kellner schüchterten ihn ein. Kein Mörder, kein Vergewaltiger, nicht einmal ein oberster Strafrichter hatte auch nur annähernd dieselbe Wirkung auf David wie der Sohn eines italienischen Einwanderers mit Fliege und Notizblock.
    »David«, sagte Lucia. »Ich brauche deine Hilfe. Deshalb bin ich hier.«
    »Das sagtest du bereits. Das sagtest du schon gestern Abend.«
    »Ja. Ich weiß. Aber hör mir zu: Das ist der einzige Grund, weshalb ich hier bin.«
    Zweifel zupften an Davids Lächeln. »Aber ich dachte, du meinst … Na ja, als du von Hilfe sprachst, dachte ich, du meinst …«
    »Sex.«
    »Nein! Verdammt. Nicht Sex.« Ein Mundwinkel hob sich kurz. »Zumindest nicht sofort.«
    Lucia verdrehte die Augen. »Ich bemühe mich um Ernsthaftigkeit, David. Ich versuche, ein ernsthaftes Gespräch mit dir zu führen.«
    »Ich auch mit dir, Lucia. Aber ich meine, was soll ich denn denken? Du kannst nicht abstreiten, dass du zweideutige Signale ausgesandt hast.«
    »Das ist nicht wahr«, antwortete Lucia. »Das weißt du ganz genau.«
    »Du bist mir um den Hals gefallen. Als du mich gesehen hast, bist du mir um den Hals gefallen.«
    »Das war ein Reflex! Rein platonisch.«
    »Dann hast du den ganzen Abend über meine Witze gelacht. Dabei waren sie gar nicht so lustig.«
    »Ich war höflich, David. Deine Witze sind nie besonders lustig.«
    »Und du hast dir einen Gutenachtkuss von mir geben lassen.«
    »Du hast mir einen Gutenachtkuss gegeben? Wann denn das?«
    »Als du da lagst. Auf dem Sofa.«
    »Als ich da lag? Mit geschlossenen Augen? Und tief geatmet habe? Das nennt sich Schlaf, David. Das nennt sich schlafen. Du hast mich vielleicht geküsst, aber glaub mir, das war ohne meine Zustimmung.«
    David machte eine Bewegung und zog dabei die Tischdecke in Falten. Er strich sie mit der flachen Hand wieder glatt. »Wie auch immer. Auf jeden Fall hast du in meiner Wohnung übernachtet. Und du hattest nur mein T-Shirt und eine Unterhose an.«
    Der Tisch stand in einer Ecke, vor der Bar und in einiger Entfernung zum Eingang. Direkt hinter Lucia streckte eine große Kentiapalme ihre Wedel aus, und Lucia spürte ihre Spitzen im Haar. Ein Kribbeln erzeugte auch die Aufmerksamkeit vom Tisch schräg gegenüber. »Du musst dieses Bild aus dem Kopf kriegen«, sagte sie, leiser als zuvor. »Weil es ein Fehler war. Ein klarer Fehler. Ich hätte erst am nächsten Morgen kommen sollen. Oder vielleicht

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